Plastics for Change
Myriam Shankar im Interview
Der hessische Kosmetik-Anbieter cosnova kooperiert mit der NGO „Plastics for Change“. Im Fokus dieser Kooperation stehen die Verbesserung der Lebenssituation von Menschen, vor allem in Indien, und die Sicherung eines strategischen Partners für Plastik-Recyklat. CSR MAGAZIN sprach mit Myriam Shankar, Chief Operating Officer bei Plastics for Change.
CSR MAGAZIN: Was ist das Besondere an Plastics for Change?
Myriam Shankar: Plastics for Change hat sich als erste Organisation im Bereich Plastikrecycling den Fairtrade-Prinzipien zugewandt. Die World Fairtrade Organisation hat uns entsprechend zertifiziert. Es wird schon lange recycelt, und auch Müllsammler – die sogenannten “Waste Picker” – sind nicht neu. Was uns als Plastics for Change besonders macht, das ist: Auf der einen Seite können wir mit den Marken zusammenarbeiten und hochwertiges recyceltes Plastik anbieten – und auf der anderen Seite bezahlen wir die Waste Picker fair, die das Plastik auf den Straßen einsammeln. Das ist innovativ, den in vielen Geschäftsmodellen schneiden sich die Mittelsmänner das größte Stück des Kuchens heraus – und für die Müllsammler bleibt nur wenig übrig.
Nun ist Plastik ein Material, das wegen seiner Umweltauswirkungen in Verruf geraten ist.
An Plastik als Material ist per se nichts Schlimmes. Das Problem ist, dass wir damit schäbig umgehen. Die Entstehung von Öl brauchte Millionen von Jahren. Und dann entsteht daraus ein Strohhalm, den wir achtlos wegwerfen. Inzwischen gibt es so viel Plastik auf unserem Planeten, dass wir kein neues mehr herstellen müssen. Der nachhaltige Umgang mit Plastik sollte auch von Gesetzgebern eingefordert werden. Allerdings nutzt es wenig, wenn in einem Land etwas verboten wird und in anderen nicht. Hier muss die internationale Gemeinschaft näher zusammenrücken.
Ist das Plastikrecycling nicht zuerst eine Aufgabe der Müllwirtschaft?
Auf unserem Subkontinent gibt es lange nicht überall eine Müllwirtschaft. In den Großstädten gibt es Anfänge davon, und manche Strukturen sind mafiös unterlaufen. In den Kleinstädten ist das noch sehr im Argen. So langsam bewegt sich etwas. Es gibt öffentliche Kampagnen, die auf das Problem aufmerksam machen.
Als Plastics for Change haben wir mit der normalen Müllwirtschaft wenig zu tun, wir kommen sozusagen danach. Und wir sammeln das Plastik insbesondere in sensiblem Bereichen – etwa an den Küsten. Uns geht es darum, Wasserwege sauber zu halten, denn Küsten und Ozeane sind solche besonders sensiblen Bereiche. Und wir fragen uns zusätzlich: Wie können wir dieses Material benutzen, um den Lebensstandard von Waste Pickern zu verbessern?
Den Marken, mit denen Sie zusammenarbeiten, wird es nicht nur um den guten Zweck, sondern auch um die Qualität des Plastiks gehen.
Wir wollen Brands wie zum Beispiel cosnova von unserer Plastikqualität zu überzeugen. Unser Material erfüllt gesetzliche Anforderungen und Richtlinien. Wir lassen vorproduziertes Material testen. Wenn die Testergebnisse unsere potentiellen Kunden überzeugen, schließen wir langfristige Verträge mit festen Preisen ab – das ist ausschlaggebend für unsere Waste Picker. Denn das versetzt uns in die Lage, diesen Leuten für einen Zeitraum von ein bis drei Jahren feste Preise zu bezahlen. Den nur mit einem planbaren Einkommen lässt sich Armut überwinden, eine Wohnung finanzieren oder ein Kind zur Schule schicken.
Wir arbeiten mit hochwertigen Brands: Die wollen die Story und brauchen zugleich die Qualität. Mit internationalen Plastikexperten haben wir Protokolle entwickelt, die ein sehr hochwertiges Material hervorbringen. Bei recyceltem Plastik gilt die Logik: Je mehr man in die Materialtrennung investiert, umso besser wird die Materialqualität. Und hier ist die Segregation mit der Hand der maschinellen Trennung überlegen. Handarbeit bringt die Qualität, die es uns ermöglicht, auf dem Weltmarkt anbieten zu können.
Und nicht zuletzt schaffen wir durch eine IT-Plattform Transparenz in unserer Lieferkette. Dort werden alle unsere Transaktionen erfasst und Kunden können jederzeit prüfen, ob tatsächlich auf allen Produktionsstufen faire Löhne gezahlt werden.
Zum Stichwort Handarbeit: Die Waste Picker setzen sich vielen gesundheitlichen Gefahren aus – gerade in Zeiten der Corona-Pandemie.
In der Tat sind diese Menschen Risiken ausgesetzt, die wir uns kaum vorstellen müssen. So müssen benutzte Masken und Handschuhe wegen der Virengefahr in vielen Ländern verbrannt werden – in Indien passiert das nicht.
In unserem Umfeld kennen wir etwa 1.000 Familien von Waste Pickern. Die unterstützen wir mit Hygienemitteln und auch mit Nahrung. In Indien wird die Zahl der Waste Picker insgesamt auf etwa vier Millionen geschätzt. Da bleibt noch viel zu tun.
Herzlichen Dank für das Gespräch!