Hoher Anspruch bei Qualität und Hygiene
Pia Schnück im Interview
Pia Schnück ist Funktionsbereichsleiterin Nachhaltigkeit Ware der Rewe Group. Die Handelskette reduziert Plastikverpackung – schrittweise. Über die Herausforderungen sprach Achim Halfmann für das CSR MAGAZIN mit der Managerin.
CSR MAGAZIN: Unverpackt-Läden sind seit einigen Jahren ein Trend. Warum ist das Angebot, Lebensmittel unverpackt anzubieten, nicht so einfach umsetzbar?
Pia Schnück: Die Herausforderungen sind tatsächlich komplex: Ich bin selbst Kundin in einem Unverpackt-Laden: Ein Besuch dort ist aber eher ein Erlebnisausflug als effektives Einkaufen. Im Umfeld von Unverpackt-Läden gibt es viele manuelle Prozesse wie das Abfüllen oder das Wiegen.
Für den Lebensmittel-Einzelhandel mit Millionen von Kunden gelten ganz andere Dimensionen. Wir bei REWE stellen uns einem hohen Anspruch bei Qualität und Hygiene, so dass wir genau überlegen und planen müssen, wie wir Prozesse gestalten.
Einen großen Hebel zur Vermeidung von Verpackungen sehen wir zum Beispiel bei Ost und Gemüse, die in der Vergangenheit auch stark verpackt waren. Aber auch hier gilt, dass wir auf die Kundenakzeptanz angewiesen sind: Es ist niemandem geholfen, wenn der Kunde von den unverpackten auf verpackte Produkte umschwenkt, weil ihm das Abfüllen in eine eigene Tasche zu aufwändig erscheint.
Insgesamt verfolgen wir bei unserer Verpackungsstrategie einen Dreischritt: Vermeiden vor Verringern vor Verbessern.
Welche Schritte sind in Märkten wie denen von Rewe nötig, um unverpackte Produkte anbieten zu können?
Es fängt damit an, dass wir ein Unverpackt- oder Mehrweg-System finden müssen, das für bestimmte Teilsegmente funktioniert. Dann prüfen wir, wie sich das mit unseren Lieferanten verwirklichen lässt. Maschinen in unserer Zulieferkette sind oft auf verpackte Lebensmittel ausgerichtet. Da passiert viel im Hintergrund, bevor wir so weit sind, in unseren Märkten auf verpackungslöse Ansätze umzustellen.
Die Einführung unverpackter Produkte in den Märkten ist dann ein schrittweiser Prozess: Wir haben zunächst Mehrwegnetze angeboten und dann in einzelnen Märkten Erfahrungen mit dem Handling und der Kundenakzeptanz unverpackter Produkte gesammelt. Marktpersonal muss geschult werden und die Kommunikation in Richtung Kunde erfolgt Schritt für Schritt.
Müssen sich Produkteigenschaften ändern, damit diese unverpackt angeboten werden können – etwa im Blick auf die Haltbarkeit?
Sie sprechen die sogenannten Coting-Verfahren an: Verpackungen erfüllen Funktionen, und eine davon ist, die Haltbarkeit sicherzustellen. Eine Ananas ist nicht sehr empfindlich, bei einer Avocado sieht das schon anders aus. Wir testen gerade ein Verfahren, bei dem durch die Ummantelung auf Fruchtzuckerbasis die Haltbarkeit von Gemüse verlängert werden kann. Würden wir nur einfach auf den Einsatz von Verpackungen verzichten, würde dies das Risiko beinhalten, dass sich wegen der reduzierten Haltbarkeit die Mengen an Lebensmittelabfällen erhöhen.
Warum haben Sie mit unverpacktem Bio-Gemüse begonnen? Und wie wird es weitergehen?
Wir schauen immer: Wo haben wir einerseits einen Hebel – wir wollen Mengen einsparen und spürbare positive Umwelteffekte erzielen. Und wo zeigt sich eine Affinität bei Kunden? Denn wir wollen zeigen, dass unverpackte Warenangebote funktionieren. Geplant ist als ein weiterer Schritt, an der Salatbar auf ein Mehrwegsystem umzustellen; zuvor gab es dort ein Einwegsystem, seit Mitte September testen wir dort ein Mehrwegsystem. Wenn das gut funktioniert, ist es ein weiteres gutes Beispiel dafür, dass alternative Verpackungssysteme von unseren Kunden angenommen werden.
Das heißt, die Nachfrage nach unverpacktem Bio-Gemüse in den Rewe-Märkten hat sich positiv entwickelt?
Ja, unsere Kunden haben das Angebot an unverpacktem Obst und Gemüse gut angenommen. Einzelne Artikel haben wir mit Banderolen in der Verpackung optimiert, andere bleiben ganz unverpackt. Das sind erfolgreiche Beispiele für den Switch auf Unverpackt bei Obst und Gemüse. Gerade wegen der Unsicherheit in der Corona-Zeit war es für uns nicht selbstverständlich, dass der bundesweite Unverpackt-Roll-out so gut angenommen wird.
Dass wir bei Bio-Obst und -Gemüse angefangen haben, ist kein Zufall. Das mit der in Folie eingeschweißten Salatgurke im Bio-Regal hat kein Kunde verstanden.
Wie monitoren Sie die Auswirkungen des unverpackt-Angebotes auf den Plastikeinsatz – und mit welchen Ergebnissen?
Wir tracken insgesamt, in welchem Umfang wir Verpackung vermeiden. Und auch im Vorhinein wird für solche Projekte geplant und berechnet, welches Kunststoff-Einsparpotential – welcher Impact – sich damit erreichen lässt.
Jeder Warenbereich arbeitet an einer Strategie unter der Fragestellung: Was ist unser Beitrag zur Reduzierung des Verpackungsmülls und des Kunststoffeinsatzes? Bis zum Jahr 2030 wollen wir bei unseren Eigenmarken 100% verpackungsfreundlichere Verpackungen und bis 2025 bereits 20 % weniger und nur recyclingfähige Kunststoffverpackungen einsetzen. Im Rahmen der Verpackungsstrategie der REWE Group setzen wir uns dabei konkrete Ziele – je nach dem, was in einem Sortiment möglich ist. So soll bei Wasch- Putz- und Reinigungsmitteln nur noch recyceltes PET statt neuem PET zum Einsatz kommen.
Die Kaufleute innerhalb der Rewe Group arbeiten hoch motiviert an dieser Strategie mit und zeigen ein hohes Commitment, wenn es um praktische Lösungen geht.
Vielen Dank für das Gespräch!