2 Begriffliche Grundlagen im Kontext der Ethik

2.1 Vorbemerkung
2.2 Moral
2.3 Berufsethos
2.4 Moralische Kompetenz
2.5 Ethik
2.6 Relativismus
2.7 Recht
2.8 Referenzen und Literatur

Das Kapitel in Stichpunkten

  • Es braucht einen begrifflichen Werkzeugkoffer, mit denen man Situationen oder anstehende Herausforderungen unter ethischer Perspektive analysieren und bewerten kann, sodass man zu möglichst „guten“ und ethisch belastbaren Entscheidungen kommen kann.
  • Moral kann man als ein faktisch gelebtes Wertesystem einer Gemeinschaft verstehen. Es handelt sich um ein Ordnungsgefüge, das die Wert- und Sinnvorstellungen einer Handlungsgemeinschaft widerspiegelt.
  • Gemeinschaften haben eine Moral. Und von Gemeinschaft zu Gemeinschaft kann sich die Moral unterschieden. Es gibt nicht nur eine Moral, sondern viele.
  • Im Berufsethos, der jeweiligen Moral einer Berufsgruppe, ist in einer mehr oder weniger konkreten Weise geregelt, wie man sich als Angehörige und Angehöriger dieser Berufsgruppe verhalten soll.
  • Für die berufliche Gemeinschaft der IT-Sicherheitsbranche steckt die Formulierung von moralischen Handlungsgeboten und Selbstbindungen noch in den Kinderschuhen.
  • Moralität bezeichnet die besondere innere Qualität moralisch relevanten Entscheidens und Handelns einer Person. Es ist der zu einer festen Grundhaltung gewordene Anspruch auf Gutseinwollen, der sich der inneren und äußeren Freiheit bedient, um nach guten Gründen zu handeln.
  • Ethik ist die Reflexion über die Moral. Während Moral ein verbindlich geltendes Wertesystem ist, ist Ethik die Auseinandersetzung mit einer gegebenen Moral. Damit verbunden ist auch die Suche nach besseren Moral, nach besseren Gründen und nach besseren Formen des Zusammenlebens in der Gemeinschaft.
  • Das Relativismus-Problem wirft die Frage auf: Gibt es ein zentrales Moment in der Ethik, das nicht-relativ ist und über die Zeiten und die Epochen hinweg verbindlich sein kann? In einem unbedingten „Gut-sein-wollen“ eines Menschen könnte ein solches invariables Moment gesehen werden.
  • Die Datensouveränität und mithin der Schutz der Menschenwürde auch unter den Bedingungen der Digitalisierung und Informationstechnologie kann für die Cybersecurity ein nicht-relatives Moment einer Ethik sein.
  • Gesetzlich verbindliche Rechtsnormen müssen befolgt werden, um die Konsequenzen von gesetzlichen Strafen zu vermeiden. Ob die handelnde Person letztlich von der Sinnhaftigkeit und der grundsätzlichen, auch moralischen, Berechtigung dieser Gesetze überzeugt ist, spielt für das Recht keine Rolle.

 

2.1 Vorbemerkung

Wie wir bereits im ersten Kapitel gesehen haben, hat die Verbindung der beiden Disziplinen Ethik und IT-Sicherheit eine starke Berechtigung. Auf einer sehr grundlegenden Ebene steht dabei der Begriff der Menschenwürde als Bezugspunkt des richtigen Denkens und Handelns im Fokus. Doch nicht in jeder Entscheidungssituation oder bei jeder Handlung, der man eine ethische Qualität zuschreiben würde, muss man gleich mit solchen schwergewichtigen Konzepten, wie der Menschenwürde oder den Menschenrechten, argumentieren.

Ebenso wie in der bisherigen ´analogen´ Gesellschaft, so gibt es auch in der neuen ´digitalen´ Gesellschaft zahlreiche Situationen in denen ethische Kompetenz gefordert ist, um nicht einfach einer so genannten Stammtischmoral aufzusitzen oder sich der Meinung von (vermeintlichen) Mehrheiten zu fügen. Ganz zu schweigen von den Werturteilen populistischer Meinungsmacher, die bestimmte Moralvorstellungen bedienen und für ihre Interessen ausnutzen. Gerade die neuen digitalen Medien und sozialen Netzwerke werden besonders für populistische Meinungsmache und vermeintliche Orientierungsgebung genutzt, wovor beispielsweise auch Bundespräsident Steinmeier warnt.(1)

Um im Alltag mit seinen bisweilen verworrenen Gemengelagen an oftmals gegensätzlichen moralischen Wertungen eine bessere Klarheit zu bekommen und die eigene ethische Urteilskraft zu stärken, werden im Folgenden einige wesentliche Begriffe und Konzepte vorgestellt und gegeneinander abgegrenzt. Mit dieser wissenschaftlichen Schärfung der Zusammenhänge bekommt man gleichsam einen begrifflichen Werkzeugkoffer, mit denen man Situationen oder anstehende Herausforderungen unter ethischer Perspektive analysieren und bewerten kann, sodass man zu möglichst guten und ethisch belastbaren Entscheidungen kommen kann.

 

2.2 Moral

Im alltäglichen Sprachgebrauch werden die beiden Begriffe Ethik und Moral meist synonym verwendet und nicht weiter hinterfragt. Oft wird damit auch eine Bevormundung verbunden. Denn moralische Aussagen sind häufig mit Geboten oder Verboten assoziiert, deren sichtbares Symbol der erhobene Zeigefinger ist, mit dem man getadelt wird oder mit dem man (aus Sicht des Zeigefingerinhabers) den vermeintlichen richtigen Weg gewiesen bekommt – beziehungsweise mit dem man selbst den Weg weist und tadelt. Doch so einfach ist es nicht. Weder müssen Ethik und Moral per se mit einer Bevormundung verbunden sein, noch sind es identische Begriffe.

Moral kann man als ein faktisch gelebtes Wertesystem einer Gemeinschaft verstehen. Es handelt sich um ein Ordnungsgefüge, das die Wert- und Sinnvorstellungen einer Handlungsgemeinschaft widerspiegelt. In einer solchen Handlungsgemeinschaft sind im Laufe der Zeit bestimmte Handlungsmuster entstanden, die für die Mitglieder dieser Gemeinschaft Geltung beanspruchen. Das bedeutet, dass die Mitglieder einer solchen Gemeinschaft Erwartungen an die Handlungen ihrer Mitglieder haben und entsprechend auch selbst diesen Erwartungen genügen sollen. Eine moralische Handlung ist demnach eine Handlung, die den Regeln der geltenden Moral der Gruppe folgt.

Moralische Handlungen folgen Regeln, denen sich die Mitglieder einer Wertegemeinschaft unterwerfen. Die Würdigung der Handlungen und Ergebnisse solcher Handlungen erfolgt über soziale Mechanismen. Hat eine Person im Sinne der Moralgemeinschaft gut und richtig gehandelt, dann erfährt sie Anerkennung und Lob. Hat sie dagegen gegen die geltenden Moralvorstellungen verstoßen, dann erfährt sie Missachtung und Tadel, sie wird sozial geächtet.(2)

Im Bereich der IT-Sicherheit könnte man sich beispielsweise den Fall eines Hackers und einer Hackerin vorstellen, die erfolgreich die Schutzsysteme eines Unternehmens oder eines Ministeriums überwinden, um Lücken im System aufzudecken, ohne sie aber zu ihrem Vorteil oder zum Schaden der betroffenen Institution auszunutzen. Je nach der Community, in der sich diese beiden bewegen, könnte auf dieses Verhalten Lob oder Tadel folgen. Die Reaktionen anderer Hacker könnten etwa so ausfallen, dass der Erfolg der Hackerin bzw. des Hackers missbillig betrachtet wird und die beiden in einer bestimmten Hacker-Szene als angepasst, feige oder inkonsequent verachtet werden. In einer anderen Hacker Community hingegen könnten sie vielleicht als Helden gefeiert werden, weil sie ihre Fähigkeiten auf eine Weise bewiesen hätten, die keinem einen Schaden zufügt und sogar dazu beitragen kann, dass die IT-Schutzsysteme verbessert werden können.

Gemeinschaften haben eine Moral. Und von Gemeinschaft zu Gemeinschaft kann sich die Moral unterschieden. Wir sehen, dass es nicht nur eine Moral, sondern viele Moralen gibt. Manche Moralen werden dabei miteinander vereinbar und kompatibel sein, andere werden sich unter Umständen widersprechen oder einander gar unvereinbar gegenüberstehen. Das gerade skizzierte Hacking-Beispiel verweist bereits auf diese möglichen Spannungen.

Bei der Abgrenzung von verschiedenen Moralen ist eine Schwierigkeit, festzustellen, was eigentlich die Gemeinschaft ist, über die man spricht. Häufig wird man auf kulturelle Gemeinsamkeiten und Unterschiede referieren. Schließlich sind es sehr stark die kulturellen Prägungen und Sozialisierungen, die den Menschen die Werte vermitteln, an denen sie sich orientieren. Dabei muss man gar nicht einmal auf eine so grundsätzliche Ebene von moralischen Geboten, wie „Du sollst nicht töten“ gehen und diskutieren, ob die Todesstrafe in bestimmten Fällen moralisch richtig oder falsch ist.

Beispiele, in denen wir bei der Begegnung mit Menschen aus anderen Kulturkreisen schon einmal in größere oder kleinere Fettnäpfe getreten sind, kennen wir sicher alle. Wobei einem der Verstoß gegen eine moralische Regel besonders dann augenfällig werden kann, wenn man selbst auf Reisen ist und die zuhause eingeübten und oft unhinterfragten Handlungsmuster im Gastland mit Nasenrümpfen oder gar handfesten Konsequenzen geahndet werden. Man denke etwa an Umarmungen oder Flirts in der Öffentlichkeit, oder an ein möglicherweise von der deutschen Ostseeküste gewohntes freizügiges Oben-ohne und Nacktbadeverhalten, das an fremdländischen Stränden für moralischen Aufruhr sorgen kann.

Dass dabei unterschiedliche Gruppen die geltenden Moralvorstellungen nur mehr oder weniger stark teilen, liegt auf der Hand. Gerade in diversen und pluralistischen Gesellschaften, wie der deutschen Gesellschaft, wird man von bisweilen sehr vielen und unterschiedlichen Gruppen mit spezifischen Gruppenmoralen ausgehen können, die sich im Lauf der Zeit ausdifferenziert haben. Damit diese Moralen einander nicht unerbittlich feindlich gegenüberstehen, braucht es gerade im öffentlichen Raum eine gewisse Toleranz und die diskursive Verständigung auf „Grundsätze deren Anerkennung jedermann rational einsichtig gemacht und daher zugemutet werden kann“.(3) Dennoch gibt es auch in solchermaßen liberalen Gesellschaften nach wie vor schwere Verstöße gegen Anstand und Sitte, die man im alltäglichen Erfahrungsbereich auch als Verletzung eines Tabus bezeichnen kann.(4)

 

2.3 Berufsethos

Innerhalb eines Kulturkreises als übergeordnete Wertegemeinschaft, die das moralische Denken und Handeln der Gesamtgemeinschaft sehr grundsätzlich orientiert, können uns wiederum verschiedene besondere Moralen begegnen, die aufgrund einer spezifischen Besonderheit einer Untergemeinschaft entwickelt wurden bzw. sich entwickelt haben. Bezogen auf unterschiedliche Berufe kann am hier von einem Berufsethos sprechen. So könnte man bei bestimmten Personengruppen beispielsweise von einer ´Beamtenmoral´, einer ´Selbstständigenmoral´ oder vielleicht auch einer ´Studierendenmoral´ sprechen. In der jeweiligen Moral einer Berufsgruppe ist in einer mehr oder weniger konkreten Weise geregelt, wie man sich als Angehörige und Angehöriger dieser Berufsgruppe verhalten soll. Sogar einer Räuberbande bzw. einer Mafia oder einem kriminellen Clan, kann man eine Moral zusprechen, denn auch diese Gemeinschaft folgt Regeln, die für ihre Mitglieder gelten und die eingefordert werden. Man denke etwa an das Gebot andere nicht zu verraten oder die moralische Pflicht, der `Familie` zu helfen. Der Volksmund bedient sich hier der Bezeichnung der ´Ganovenehre´, die gewissermaßen das Berufsethos eines Berufsverbrechers darstellt.(5)

Im Laufe der Zeit haben sich für unterschiedliche Berufsgruppen unterschiedliche Moralen entwickelt. Das jeweilige Ethos, das für Angehörige eines Berufs gilt, drückt mithin die Werte aus, die   für diese Gruppe gelten sollen. Sie beanspruchen Verbindlichkeit; das heißt es wird erwartet, dass die Mitglieder dieser Gruppe sich an die moralischen Forderungen, die der Beruf mit sich bringt, binden.

Das wahrscheinlich bekannteste Beispiel für den moralischen Anspruch einer Berufsgruppe dürfte der Hippokratische Eid sein, dem sich Mitglieder der ärztlichen Profession verpflichten. Auch wenn man nicht genau weiß, wer den Eid in seiner ursprünglichen Form verfasst hat, geht er namentlich auf den griechischen Mediziner Hippokrates zurück, der vor etwa 2500 Jahren gelebt und gewirkt haben soll.(6) Schon in seiner ursprünglichen Fassung formuliert der Eid den Dienst an der Menschlichkeit als zentrales moralisches Gebot. Die derzeit gültige Version dieses ärztlichen Gelöbnisses ist die auf die heutige Zeit angepasste und im Jahr 2017 vom Weltärztebund aktualisierte ´Deklaration von Genf´.(7)  Sie endet mit dem Versprechen „Ich gelobe dies feierlich, aus freien Stücken und bei einer Ehre“.(8) Damit verweist der Eid darauf, dass seine Verletzung eine moralische Verfehlung ist und die besagte Ärztin bzw. der betroffene Arzt entsprechend entehrt und damit in der Wertegemeinschaft diskreditiert ist. Schließlich wurde der Eid freiwillig abgelegt und hat selbstbindende Wirkung.

Für die berufliche Gemeinschaft der IT-Sicherheitsbranche steckt die Formulierung von moralischen Handlungsgeboten und Selbstbindungen noch in den Kinderschuhen. Angesichts der zweieinhalb Jahrtausende, die zwischen Hippokrates und heutigen Cybersecurity-Professionals liegen, kein Wunder. Dennoch könnte man beispielsweise die „Hackerethik“, die der Chaos Computer Club (CCC) auf seiner Homepage veröffentlicht hat, als erste Schritte in Richtung Selbstbindung von IT-Spezialisten interpretieren. Nach eigener Darstellung ist der CCC die „größte europäische Hackervereinigung und seit über dreißig Jahren Vermittler im Spannungsfeld technischer und sozialer Entwicklungen“. Der Verein verfolgt zahlreiche technische, kommunikative und beratende Aktivitäten.  „Außerdem fordert und fördert er den Spaß am Gerät und lebt damit die Grundsätze der Hackerethik.“(9) Auf den bereits zitierten Seiten des Chaos Computer Clubs ist die Hackerethik wie folgt wörtlich formuliert:

Hackerethik

Die ethischen Grundsätze des Hackens – Motivation und Grenzen:

  • Der Zugang zu Computern und allem, was einem zeigen kann, wie diese Welt funktioniert, sollte unbegrenzt und vollständig sein.
  • Alle Informationen müssen frei sein.
  • Mißtraue Autoritäten – fördere Dezentralisierung.
  • Beurteile einen Hacker nach dem, was er tut, und nicht nach üblichen Kriterien wie Aussehen, Alter, Herkunft, Spezies, Geschlecht oder gesellschaftliche Stellung.
  • Man kann mit einem Computer Kunst und Schönheit schaffen.
  • Computer können dein Leben zum Besseren verändern.
  • Mülle nicht in den Daten anderer Leute.
  • Öffentliche Daten nützen, private Daten schützen.

So, wie sich auch der Hippokratische Eid der Medizinerinnen und Mediziner im Laufe der Zeit verändert hat, sich an neue Herausforderungen angepasst und auf gesellschaftliche Werteverschiebungen reagiert hat, so ist auch die Hackerethik in ständiger Weiterentwicklung. Außerdem ist die „Hackerethik ist nur bedingt einheitlich definiert“(10) und hat sich im Laufe der Zeit gewissermaßen als eine Art naturwüchsige Konvention entwickelt. Die in ihr formulierten Grundsätze sollen als Diskussionsgrundlage und zur Orientierung dienen.

Die Hackerethik, die beispielhaft hier vorgestellt wurde, könnte man gegebenenfalls auch als das derzeitige Berufsethos der Hacker Professionals interpretieren. Es sind Grundsätze, die den Angehörigen dieses Berufs bzw. dieser Branche als Diskussionsgrundlage dienen und an denen sie sich orientieren sollen. Inwieweit sie auch für die Cybersecurity gelten könnten oder angepasst werden müssten, wäre zu prüfen.

 

2.4 Moralische Kompetenz

Eine Moral, verstanden als das faktische Wertesystem einer Gemeinschaft, reglementiert gewissermaßen durch ihre Gebote und Verbote das Miteinander dieser Gemeinschaft. Sie bestimmt das Denken und Handeln ihrer Mitglieder. Durch die alltäglichen Interaktionen in einer solchen Gemeinschaft, aber auch durch Erziehung und Ausbildung, findet eine Sozialisation der Menschen statt, durch die die geltenden Moralvorstellungen eine oft unbewusste und unhinterfragte Selbstverständlichkeit bekommen haben. Oft wird einem diese Selbstverständlichkeit erst dann bewusst, wenn man persönlich betroffen ist und merkt, dass das eigene individuelle Wertesystem mit der Gruppenmoral kollidiert. In diesem Sinne würden man gleichsam Gewissensbisse bekommen, wenn konform mit einer geltenden Moral handelt, hinter der man nicht steht.

Ein klassisches Beispiel für das Aufbrechen solcher moralischen Selbstverständlichkeiten ist der innere Konflikt, der in einer Situation auftreten kann, in der man einen Freund oder eine Freundin nicht verraten möchte, aber dabei gegen das moralische Gebot „Du sollst nicht lügen“ verstoßen würde. In einem anderen, oft herangezogenen Beispiel etwa können innere Konflikte bei einem Pazifisten oder einer Pazifistin auftreten, die Gewalt strikt ablehnen, aber plötzlich in eine Situation geraten, in der die Anwendung von Gewalt zum Selbstschutz die erste Option zu sein scheint. Im Bereich der Cybersecurity mag womöglich dann ein innerer Konflikt mit Gewissenbissen entstehen, wenn gegen das Gebot der in Kapitel 3 vorgestellten Hackerethik „Mülle nicht in den Daten anderer Leute“ verstoßen wird, um dadurch Informationen zu generieren, die helfen, die IT-Sicherheit eines Systems zu erhöhen.

Die problematische Situation für ein Individuum, das in eine solche Situation geraten ist, besteht darin, dass es auf sich selbst zurückgeworfen ist. Es gibt keine öffentliche Autorität oder Instanz, die einen solchen Fall allgemeinverbindlich lösen könnte und auf die man seine moralische Verantwortung abschieben könnte. Solche Konfliktfälle hängen von dem betroffenen Individuum und seinen inneren Werten ab und müssen letztlich von ihm selbst entschieden werden. Das aus dieser individuellen Entscheidung resultierende Verhalten muss schließlich vor den anderen gerechtfertigt und legitimiert werden. „Doch ist die grundsätzliche Bereitschaft, eine solche Entscheidung zu rechtfertigen, vor anderen zu verantworten, ein Indiz dafür, dass die betreffende Person nicht unmoralisch ist, sondern dass es in Ausnahmefällen und Extremsituationen rechtens sein kann, den Anspruch einer bestimmten moralischen Norm zugunsten einer höher geschätzten Norm nicht zu erfüllen.“(11)

Eine Person kann also auch moralisch handeln, selbst wenn sie gegen eine Moral verstößt. Das klingt zunächst widersprüchlich, lässt sich aber auflösen, wenn man den Terminus „moralisch handeln“ aus zwei Perspektiven beleuchtet.

Zum einen aus der Perspektive des geltenden Moralsystems, das fordert, dass die geltenden Regeln eingehalten werden. Aus dieser Perspektive wäre ein Verstoß gegen die Regeln unmoralisch und zu sanktionieren.

Zum anderen aus der Perspektive des inneren „Gutseinwollens“, dem unbedingten Wunsch in der gegebenen Situation, das Richtige zu tun. Aus dieser Perspektive verstößt man mit guten Gründen gegen die geltende Moral und handelt dennoch moralisch, auch wenn man ggf. von der Gemeinschaft sanktioniert oder missachtet wird. Man bezieht sich dann auf den Begriff der Moralität.

Die oben genannten Beispiele und die beiden Perspektiven auf moralisches Handeln verweisen auf die grundsätzliche Freiheit, die jeder Mensch hat. Diese innere Freiheit äußert sich darin, dass man trotz aller Sanktionen und moralischen Zwänge einer Handlungsgemeinschaft auch anders handeln kann, in manchen Fällen vielleicht sogar aus eigener Überzeugung anders handeln muss. Indem eine Person auf diese Weise ihre Freiheit beansprucht und aus guten Gründen Haltung zeigt, aus Gründen, die ihrem unbedingten Gutseinwollen entspringen und die diese Person sowohl gegenüber sich selbst aus als auch gegenüber ihren Mitmenschen verantwortet, beweist sie moralische Kompetenz.

„Moralische Kompetenz im eigentlichen Sinne besitzt somit nicht derjenige, der den geltenden Moralkodex und das gängige Wertesystem fraglos internalisiert hat – so jemand wäre mit Nietzsche gesprochen nicht mehr als ein gut abgerichtetes Tier –, moralische Kompetenz besitzt vielmehr ausschließlich derjenige, der sich Moralität zum Prinzip seiner Willensbildung und Praxis gemacht hat.“(12) Moralität bezeichnet dabei die besondere innere Qualität moralisch relevanten Entscheidens und Handelns einer Person. Es ist der zu einer festen Grundhaltung gewordene Anspruch auf Gutseinwollen, der sich der inneren und äußeren Freiheit bedient, um nach guten Gründen zu handeln. Je mehr dabei ein geltendes Moralsystem einer Gemeinschaft diesen Anspruch unterläuft und die gewachsenen, vielleicht auch überkommenen oder oktroyierten Wertevorstellungen vermeintlicher Autoritäten, mit Macht und Zwang durchsetzen will, umso mehr ist moralische Kompetenz und die Überprüfung der Moralität individueller Handlungen nötig.

Ein Moralsystem, das seine Mitglieder zur Einhaltung bestimmter Verhaltensweisen zwingt und nicht überzeugt, verliert seinen Anspruch auf moralische Verbindlichkeit; eine Ver-Bindlichkeit die immer nur auf der freien Selbst-Bindung der Individuen basieren kann. Vielleicht liegt in diesem Zusammenhängen auch eine mehr oder weniger bewusste Begründung des Gebots „Mißtraue Autoritäten – fördere Dezentralisierung“, das die Hackerethik des CCC formuliert.(13)

 

2.5 Ethik

Ethik und Moral sind nicht dasselbe. Dennoch weisen die Begriffe eine enge Verbindung zueinander auf und werden außerhalb der Fachdisziplin der wissenschaftlichen Ethik bzw. im alltäglichen Sprachgebrauch häufig synonym verwendet. Diese Vermischung der Begriffe kann man auch an der oben vorgestellten Hackerethik erkennen, die unter der Perspektive des moralischen Handelns diskutiert wurde. In der Vorstellung der Hackerethik als das Berufsethos einer, wenn man so sagen will, Hackerbranche kann man die Hackerethik auch als ein Moralsystem interpretieren. Sie ist ein Wertesystem, das eben für die Hacker Community gilt. Damit erfüllt die Hackerethik die definitorischen Anforderungen an eine Moral. Ob sie aber auch wirklich eine Ethik ist, wie es ihr Namen beansprucht, kann damit an dieser Stelle noch festgestellt werden. Dafür muss geklärt werden, was Ethik eigentlich ist.

Während das Moralsystem einer Gemeinschaft den Charakter von etwas Selbstverständlichem hat, von geltenden Regeln, die die Mitglieder dieser Gemeinschaft unhinterfragt hinnehmen, geht die Ethik einen grundlegenden Schritt weiter. Denn wie wir bei unserer Auseinandersetzung mit der moralischen Kompetenz und dem Begriff der Moralität des bzw. der Einzelnen schon gesehen haben, kann es zu Konflikten zwischen Wertesystemen kommen. Spätestens dann taucht das kleine, aber sehr bedeutsame Fragewort „Warum?“ auf. Denn mit dieser Warum-Frage werden die Verfechterinnen und Verfechter eines geltenden Moralsystems in die bisweilen sehr unbequeme Lage gebracht, die unterhinterfragt geltenden Werte und Ge- bzw. Verbote in dieser Wertegemeinschaft zu begründen. Was soll ich so handeln, warum soll ich nicht anders handeln dürfen? Diese Warum-Fragen stellen die geltenden moralischen Regeln infrage und rütteln mithin an den Grundfesten und Überzeugungen dieser Gemeinschaft.

Wer warum fragt, fragt nach Gründen. Und in dieser Frage liegt, zumindest dann, wenn sie ernsthaft gestellt ist, die Möglichkeit von Gegengründen. Bei weiterem Fragen, könnte sich herausstellen, dass die Begründungsstruktur, die Logik, mit der die Werte einer Gemeinschaft und die damit verbundenen Vorstellungen von richtig und falsch, von gut und böse, unstimmig oder nicht hinreichend sein können. Dieses Hinterfragen und Infrage-stellen fordert die geltende Moral heraus und unterzieht sie einem Belastungstest. Das in einer Gemeinschaft bis dahin Fraglose wird fragwürdig, das Selbstverständliche begründungspflichtig. „Es ist nun immer ein Angriff auf die geltende Moral, wenn man fragt: Warum gilt dieses und nicht jenes? Denn damit wird unterstellt: Was gilt muss nicht gelten, es könnte auch ein anderes Gebot gelten.“(14) Gerade in autoritären Gemeinschaften, in denen die Überwachung der Moral als Machtmittel genutzt wird, wird der Charakter ethischen Fragens als Angriff auf die geltenden Moral auch zu einem Angriff auf Macht und Herrschaftsverhältnisse, die mithin infrage gestellt werden und unter Druck geraten können. Das Gebot der Hackerethik „Mißtraue Autoritäten – fördere Dezentralisierung“ kann somit je nach staatlichem und kulturellem Kontext als Provokation verstanden werden und eine nicht zu unterschätzende Sprengkraft entwickeln.

Ethik ist die Reflexion über die Moral. Während Moral ein verbindlich geltendes Wertesystem ist, ist Ethik die Auseinandersetzung mit einer gegebenen Moral. Damit verbunden ist auch die Suche nach besseren Moral, nach besseren Gründen und nach besseren Formen des Zusammenlebens in der Gemeinschaft. Es geht darum, Gründe und Gegengründe für bestimmte moralische Positionen zu finden, die sich in Normen und Regeln niederschlagen. „Aber darüber hinaus geht es der Ethik auch und vor allem darum, schließlich zu einer möglichst gut begründeten Moral zu gelangen, zu einer Moral von der wir sagen können, dass sie für den Menschen die beste ist. Mit anderen Worten, das Ziel jeder ernstzunehmenden Ethik ist es, herauszufinden, was gut und gerecht ist derart, dass es auch in einer überzeugenden Begründung als gut und gerecht erweisen werden kann.“(15)

In jüngster Zeit findet man immer häufiger auch den Begriff Digitale Ethik.(16) Es geht dabei nicht, wie man vielleicht auch vermuten könnte, darum, die Ethik zu digitalisieren und damit diskret und maschinenlesbar zu machen. Vielmehr geht es der Digitalen Ethik darum, die Fragen der Ethik unter den Bedingungen der Digitalisierung zu stellen. Aus dem allgemeinen Ziel der Ethik, nämlich herauszufinden, was überzeugend als gut und gerecht begründet werden kann, konkretisiert sich die Frage danach, was als gut und gerecht für unser Zusammenleben ist, dahin zu hinterfragen, was im Kontext der technologischen und gesellschaftlichen Veränderungen durch die Digitalisierung gut und gerecht für unser gesellschaftliches Miteinander ist.

 

2.6 Relativismus

Ethik reflektiert und hinterfragt geltende Moralen und Wertevorstellungen. Sie sucht nach guten Gründen, um Gebote oder Verbote für Handlungen zu formulieren, deren Einhaltung als ethisch wünschenswert gilt. Nun könnte man einwenden, dass aber die Vorstellungen darüber, was gutes Handeln ist, von Gesellschaft zu Gesellschaft unterschiedlich sind, etwa indem man auf kulturelle Unterschiede verweist. Kann man also ohne die besonderen Umstände einer Gemeinschaft, die Epoche, in der sie existiert und die kulturellen Eigenheiten, die sie entwickelt hat, zu betrachten ein ethisches Urteil fällen und sich in allgemeiner Hinsicht auf etwas Gutes oder Böses beziehen? Gibt es also ein zentrales Moment in der Ethik, das nicht-relativ ist und über die Zeiten und die Epochen hinweg verbindlich sein kann?

Nähern wir uns der Antwort zunächst von der anderen Seite. Wir wissen, dass es unterschiedliche Moralen gibt. Wenn man nun davon ausgeht, dass alle moralischen Vorstellungen relativ sind und die ethische Reflexion und Theorie, die daraus entwickelt würde, die Moral weitgehend bestätigen würde, dann könnte man nichts eindeutig als gut oder eindeutig schlecht bezeichnen. Diese Vorstellung wiederum bringt Konsequenzen mit sich. Denn wenn beispielsweise „eine andere Epoche die taten und Absichten Hitlers und Stalins gutheißt, so gibt es nicht einmal theoretisch eine Instanz, die diesem Werturteil entgegentreten kann. Es bleibt nur: die einen haben darin Greueltaten gesehen, die anderen nicht.“(17) Man könnte also wegschauen mit der Begründung, dass es eben deren Werte sind, und solange wir nicht betroffen sind, es uns auch nichts angeht. Käme es doch zu einem Konfliktfall, dann gäbe es keine Verständigungsbasis zwischen den Gemeinschaften und es würde in letzter Konsequenz die (militärisch) stärkste Gemeinschaft durchsetzen, welche Moralvorstellungen zu gelten haben, und Schluss.

Unabhängig von der Einschätzung, dass man so eine Welt nicht wollen kann, kann man aber auch theoretische Argumente gegen ein moralisches Anything goes und Wegschauen einerseits bzw. gegen das primitive Recht der Stärkeren andererseits hervorbringen. Denn der Einwand des Relativismus trifft nur das variable inhaltliche Moment an der Moral, also beispielsweise nach dem Prinzip der Monogamie oder dem der Polygamie zu leben. Es gibt aber auch ein invariables formales Moment an der Moral bzw. der Ethik, also beispielsweise nach dem Prinzip zu leben, immer und überall unbedingt gut zu handeln. Dieses invariable Prinzip ist moralübergreifend und geht nicht abschließend in einer spezifischen Moral auf. Es ist gewissermaßen ein Suchprozess, dessen treibende Kraft das unbedingte Gutsein-Wollen, die Moralität einer Person ist. In der Moralität und dem in ihr gebundenen Freiheitsprinzip liegt die Motivation, zu immer besseren und menschenwürdigeren Normen und in der Folge zu ethisch besseren Werte- und Moralsystemen zu gelangen. „Was also zunächst als bloße Relativität erscheint, erweist sich bei näherem Zusehen als die aufgrund unterschiedlicher sozio-kultureller Randbedingungen voneinander abweichende Ausprägung eines Freiheitsverständnisses, das sich in gemeinsamen Basisnormen, wie Gerechtigkeit, Gleichheit, Humanität etc. artikuliert […].“(18) Diese formalen Grundnormen stellen schließlich Ansprüche an Handlungsgemeinschaften, in denen sie sich durch Anerkennungsprozesse materialisieren und Geltung verschaffen können. Der Diskurs und die gewaltlose Verständigung sind dabei – im Gegensatz zur Durchsetzung einer herrschenden Moral mit Gewalt – die Mittel der Wahl.

Die bereits in der ersten Lerneinheit unter der Frage nach dem eigentlichen Schutzgut der Cybersecurity behandelte Menschenwürde kann man an dieser Stelle durchaus als eine solche Basisnorm verstehen. Der Schutz der Menschenwürde auch unter den Bedingungen der Digitalisierung und Informationstechnologie ist eine formale Anforderung an eine Ethik (zumal in der IT-Sicherheit). Wie sich dieser Anspruch dann in einer bestimmten Gemeinschaft konkretisiert und wie ihm Geltung verschafft wird, kann von Gemeinschaft zu Gemeinschaft unterschiedlich und relativ sein. In ihrem Grundanspruch indes, ist die Menschenwürde nicht-relativ und beansprucht allgemeine Gültigkeit, das heißt zu jeder Zeit, an jedem Ort und für jeden Menschen.

 

2.7 Recht

Bei der begrifflichen Abgrenzung von Ethik und Moral tangiert man auch den Begriff des Rechts. Denn auch das Recht einer Gemeinschaft, im eigentlichen Sinne eines Staates, hat die Funktion das Verhalten der Mitglieder dieser Gemeinschaft zu regeln. Die Besonderheit des Rechts gegenüber der Moral ist dabei, dass die Normen einer Rechtgemeinschaft in verbindlichen Gesetzen niedergelegt sind. Die rechtlich verbindlichen Gebote bzw. Verbote können im Gegensatz zu moralisch verbindlichen Geboten bzw. Verboten mit staatlicher Gewalt durchgesetzt werden, wodurch eine rechtlich erwünschtes Verhalten herbeigeführt werden kann. Die Einforderung von moralischem Verhalten indes erfolgt über Lob und Tadel, über Achtung und Missachtung von Personen in einer Gemeinschaft; oder im Sinne der Moralität, also des unbedingten Gutsein-wollens einer Person, über deren individuelles Gewissen.

Gesetzlich verbindliche Rechtsnormen müssen befolgt werden, um die Konsequenzen von gesetzlichen Strafen zu vermeiden. Ob die handelnde Person letztlich von der Sinnhaftigkeit und der grundsätzlichen, auch moralischen, Berechtigung diese Gesetzte überzeugt ist, spielt dabei keine Rolle. Rechtliche Normen sind gerichtlich einklagbar, moralische nicht. Für eine nach ihrem Gewissen handelnde Person kann das dann zu Problemen führen, wenn für sie die Befolgung des als für sie falsch erkannten Rechts nicht mehr tragbar ist. In diesem Sinne würde eine Person gegen geltendes Recht verstoßen und aufgrund ihrer moralischen Überzeugung die rechtlichen Verurteilungen und Strafen, die auch mit staatlicher Gewalt erzwungen werden können, auf sich nehmen. Man kommt bei der Weiterführung dieser Überlegungen in den Bereich der Zivilcourage oder gar in den des Terrorismus, was hier nicht weiterverfolgt werden soll.

Moralische Wertehaltungen und ethische Reflexionen spielen in das Recht und insbesondere in die Gesetzgebung hinein. Ein einfaches Beispiel dafür ist die Bestrafung von Falschaussagen vor Gericht, die mit dem ethischen Gebot „Du sollst nicht lügen“ korrespondieren. Nicht zuletzt finden auch und gerade auf sehr grundsätzlichen Ebenen starke Beeinflussungen des Rechts durch ethische Erkenntnisse und moralische Reflexionen statt. Denn die bereits mehrfach angesprochenen Menschenrechte und der Bezug zur Menschenwürde beispielsweise entspringen der ethischen Reflexion. Mit den Worten des Philosophen Jürgen Habermas sorgen die ethisch begründeten Grundrechte für eine Art „ethische Imprägnierung“(19) der Verfassung. Über gesellschaftliche Diskurse und Verständigungs- und Aushandlungsprozesse gelangen moralische Vorstellungen und ethische Erkenntnisse in die Gesetze einer Rechtsgemeinschaft und bekommen über die moralische Verbindlichkeit hinaus gesetzliche Bindung und Haftung.

Gerade bei neuen technologischen und gesellschaftlichen Entwicklungen, wie sie etwa die Digitalisierung mit sich bringt, ist auch das Recht und die Gesetzgebung herausgefordert. Denn die neuen Bedingungen benötigen unter Umständen eine Reflexion und Anpassung des bestehenden Rechtverständnisses und der regulierenden Gesetze. An solchen Schnittstellen auf der Höhe der Zeit zeigt sich die Fluidität der Suche nach moralisch bzw. ethisch belastbaren und angemessenen Regelungen. Man denke etwa an die Diskussionen um den Datenschutz im Bereich der Informationstechnologie und deren Sicherheit. Häufig werden im Zuge dieser gesellschaftlichen Suchprozesse sogenannte Ethikkommissionen oder Ethikräte eingesetzt, deren Expertise die Gesetzgebung beraten und unterstützen soll und deren Vorschläge in gesetzliche Normen eingehen können.(20) Im Bereich der Künstlichen Intelligenz sei beispielsweise die „High-Level Expert Group on Artificial Intelligence“ der Europäischen Kommission genannt, die für eine europäische KI-Strategie Richtlinien und Empfehlungen entwickeln soll.(21)

Über die diskursive Auseinandersetzung über neue Entwicklungen können mit der Zeit moralische Vorstellungen aus der Gesellschaft, verbunden mit ethischer Reflexion und Expertise, in die Gesetzgebung gelangen. Das Fluide wird (zumindest vorübergehend) fest. In einem bildhaften Sinne könnte man daher sagen, dass die Gesetze so etwas wie geronnene Moralvorstellungen sind; die aber durch neue moralische und ethische Anfragen hinterfragt und verflüssigt werden und im beschriebenen Prozess wieder neu verfestigt werden.

Bei all den beschriebenen Zusammenhängen zwischen Ethik, Moral und Recht kommt der Ethik mit ihren Reflexionen und Begründungen dessen, was grundsätzlich und belastbar als gut und böse, als richtig und falsch anzuerkennen sein soll, eine wichtige und zentrale Aufgabe zu. Sie bietet uns eine Erkenntnis- und Entscheidungshilfe an für das, was wir tun sollen und verantworten müssen. Sie basiert im Gegensatz zu Recht und Moral auf einem Prinzip der Freiheit, zu dem wir uns als handelnde Personen entscheiden und verhalten können.

Wozu also brauchen wir Ethik? Sie gibt uns auf Basis guter Gründe Orientierung für unser Denken und Handeln; und sie hilft uns bei unserer Urteilsfindung und bei unseren Bewertungen reflektiert und begründet vorzugehen. Für die neuen, dynamischen und noch unbekannten Herausforderungen der Digitalisierung allgemein und insbesondere für eine verantwortungsvolle Umsetzung von IT-Sicherheit, sind ethische Grundkenntnisse unabdingbar.

 

2.8 Referenzen und Literatur

  1. t-online (2018).
  2. Vgl. Pieper (2017: 26).
  3. Pieper (2017:12).
  4. Vgl. ebd.: 30.
  5. Vgl. ebd.: 29.
  6. Vgl. Manjikian (2018: 15).
  7. Vgl. Weltärztebund (2017).
  8. ebd.
  9. CCC (2019).
  10. ebd.
  11. Pieper (2017: 33)
  12. ebd.: 38.
  13. CCC (2019).
  14. (14) Manstetten (2006: 94).
  15. ebd.: 95.
  16. Vgl. bspw. Grimm et al (2019) oder Spiekermann (2019).
  17. Manstetten (2006: 94).
  18. Pieper (2017: 42).
  19. Vgl. Habermas (1996: 252ff).
  20. Vgl. von Kutschera (1999: 370).
  21. Europäische Kommission (2019).

Bundesärztekammer (2017): Neufassung des Genfer Gelöbnisses liegt nun auch auf Deutsch vor, Pressemitteilung vom 29.11.2017, https://www.bundesaerztekammer.de/ueber-uns/landesaerztekammern/aktuelle-pressemitteilungen/news-detail/neufassung-des-genfer-geloebnisses-liegt-jetzt-auch-auf-deutsch-vor, letzter Abruf am 17.11.2019.

CCC (2019): Chaos Computer Club e.V., https://www.ccc.de, letzter Abruf am 18.11.2019.

Europäische Kommission (2019): High-Level Expert Group on Artificial Intelligence, https://ec.europa.eu/digital-single-market/en/high-level-expert-group-artificial-intelligence, mit letztem Update vom 4.Oct.2019, letzter Abruf am 23.22.2019.

Grimm, Petra/ Kleber, Tobias O./ Zöllner, Oliver (2019): Digitale Ethik. Leben in vernetzen Welten, Reclam Verlag Ditzingen.

Habermas, Jürgen (1996): Die Einbeziehung des Anderen. Studien zur politischen Theorie, Suhrkamp Verlag Frankfurt am Main.

Hackerethik nach CCC (2019): https://www.ccc.de/de/hackerethik, letzter Abruf am 18.11.2019.

Kutschera von, Franz (1999): Grundlagen der Ethik, 2., völlig neu überarbeitete Auflage, de Gruyter Studienbuch, Berlin New York.

Manjikian, Mary (2018): Cybersecurity Ethics. An Introduction, Routledge Verlag Abington und New York.

Manstetten, Reiner (2006): Was gilt? Relativität und Nicht-Relativität moralischer Ansprüche. In: Beschorner, Thomas/ Schmidt, Matthias (Hrsg.): Unternehmerische Verantwortung in Zeiten kulturellen Wandels, sfwu Band 15, Rainer Hampp Verlag München und Mering, 91-111.

Pieper, Annemarie (2017): Einführung in die Ethik, 7., aktualisierte Auflage, UTB für Wissenschaft, Franke Verlag Tübingen.

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t-online (2018): “Faszination des Autoritären”. Steinmeier warnt vor digitalem Populismus. T-online.de vom 26.4.201, https://www.t-online.de/nachrichten/deutschland/gesellschaft/id_83671278/frank-walter-steinmeier-warnt-vor-digitalem-populismus.html, letzter Abruf 11.12.2021.

Weltärztebund (2017): Deklaration von Genf, offizielle deutsche Übersetzung […] autorisiert durch den Weltärztebund, Download der PDF über die Website der Bundesärztekammer: https://www.bundesaerztekammer.de/ueber-uns/landesaerztekammern/aktuelle-pressemitteilungen/news-detail/neufassung-des-genfer-geloebnisses-liegt-jetzt-auch-auf-deutsch-vor, letzter Abruf am 17.11.2019.

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Ethik in der IT-Sicherheit (2. erweiterte Auflage) Copyright © 2023 by Matthias Schmidt is licensed under a Creative Commons Namensnennung-Weitergabe unter gleichen Bedinungen 4.0 International, except where otherwise noted.

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