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Chronische Nierenkrankheit (CKD)

Einleitung

Kardiovaskuläre Krankheiten sind der Hauptgrund für die sehr hohe Mortalität von Patientinnen und Patienten mit chronischer Nierenkrankheit (CKD), insbesondere mit Nierenersatztherapie (KRT). Im Vergleich mit der Normalbevölkerung erreicht die kardiovaskuläre Mortalität bei KRT-Patientinnen oder -Patienten mindestens das 10-fache, bei jungen Erwachsenen sogar mehr als das 100-fache Risiko. Dieses Risiko ist weniger durch vaskulookklusive Ereignisse wie Myokardinfarkte als vielmehr durch plötzlichen Herztod, Arrhythmien und chronische Herzinsuffizienz erklärt. Auch scheinen für dieses spezielle Kollektiv die generell anerkannten Risikofaktoren wie hoher BMI und hoher Cholesterinspiegel eher vor dem Tod zu schützen, weshalb diese Population bezüglich Risikostratifizierung durch den Nephrologen speziell evaluiert und behandelt werden sollte.

Patientinnen und Patienten mit CKD, die keine Nierenersatztherapie benötigen, verhalten sich bezüglich der bekannten kardiovaskulären Risikofaktoren wie die Normalbevölkerung und sollten entsprechend behandelt werden. Mortalitäts-Daten zeigen bereits einen Anstieg der kardiovaskulären Mortalität bei einer glomerulären Filtrationsrate (eGFR) < 60 ml/min/1.73 m2 oder einem Albumin-Kreatinin-Quotienten im Spontanurin (ACR) von > 3 mg/mmol Kreatinin (entsprechend einer Albumin-Exkretion (AER) von 30 mg/Tag). Dabei geht die renale Prognose mit dem kardiovaskulären Risiko parallel (siehe Darstellung). Bei schwerer CKD im Stadium 4 ist das Risiko schliesslich abhängig von der Albuminurie 5- bis 10-fach erhöht.

Der Gebrauch der CKD-EPI-Kreatinin-Formel oder alternativ der CKD-EPI-Cystatin C-, respektive der kombinierten Formel hat die Früherkennung von milden Formen der CKD erleichtert und sollte deshalb zur eGFR-Bestimmung konsequent eingesetzt werden. Auch ist das Screening für die ACR im Spot-Urin einfach und in jeder Sprechstunde durchführbar.

Tab.: Chronische Nierenkrankheit

 

Abklärung und Therapie

Die Klassifizierung der CKD erfolgt entsprechend der von KDIGO 2012 vorgeschlagenen Einteilung nach Ursache (Cause), GFR-Kategorie und Albuminurie-Kategorie (CGA) . Alle Patientinnen und Patienten mit erhöhtem Risiko für eine CKD (Arterielle Hypertonie, Diabetes mellitus, Herz-Kreislauf Erkrankungen, nephrotoxische Arzneimitteltherapien, Adipositas, pos. Familienanamnese und mit Systemerkrankungen wie z. B. HIV, SLE, Vaskulitis) sollten jährlich auf das Vorliegen einer CKD gescreent werden. Dazu werden der Albumin-Kreatinin-Quotient (ACR) im Spot-Urin und ein Serumkreatinin (oder Cystatin C) zur Schätzung der GFR (eGFR = estimated GFR) bestimmt. Eine CKD besteht, wenn entweder eine eGFR < 60 ml/min/1.73 m2 oder eine ACR > 3 mg/mmol für > 3 Monate vorliegt.

Ab einer eGFR < 45 ml/min/1.73 m2 oder einer Albuminurie > 300 mg/Tag respektive Proteinurie > 500 mg/Tag sollte die Zuweisung zur nephrologischen Abklärung erfolgen, entsprechend der hellviolett eingefärbten Risikokategorie. Auch eine anhaltende, nicht anders erklärbare Erythrozyturie, unkontrollierbare Hypertonie in jedem Stadium der CKD oder ein rezidivierendes Steinleiden sollten fachärztlich beurteilt werden.

Progressionshemmung

Ab dem Stadium A2 (ACR > 3 mg/mmol) ist zusätzlich zur maximal verträglichen RAAS-Blockade der Einsatz eines für die CKD zugelassenen SGLT2-Hemmers empfohlen, wenn die eGFR > 25 ml/min/1.73 m2 beträgt. Aktuell ist die Behandlung unabhängig vom Typ 2 Diabetes oder der Herzinsuffizienz bei Dapagliflozin und Empagliflozin ab einer ACR > 20 mg/mmol und eGFR 25-75 ml/min/1.73 m2 auf der Spezialitätenliste (SL). Für Empagliflozin besteht ausserhalb der SL eine erweiterte Zulassung (Kostengutsprache nötig).

Bei diabetischer Nierenkrankheit kann zusätzlich der nichtsteroidale Mineralokortikoidrezeptorantagonist Finerenon zur Progressionshemmung eingesetzt werden. In Kombination mit einem SGLT2-Hemmer ist die Verschreibung auf Patientinnen und Patienten mit einer eGFR von 25-59 ml/min/1,73 m² und einer ACR von > 30 mg/mmol limitiert.

Komplikationen und Folgeerkrankungen

Arterielle Hypertonie

  • Zielblutdruck bei CKD A1 < 140/90 mmHg, ab A2 < 130/80 mmHg
  • Erste Wahl ab Stadium A2: ACE-Hemmer oder ARB. Die Wahl des Antihypertensivums richtet sich ansonsten nach Co-Morbiditäten (siehe ausführliches Kapitel)
  • Kombination von ACE-Hemmer und ARB nicht mehr empfohlen
  • Bei älteren Patientinnen und Patienten und insbesondere beim Einsatz von Vasodilatatoren empfiehlt sich die regelmässige Überprüfung der Orthostase

Anämie

  • Diagnostik: Blutbild, Retikulozyten, Eisenstatus (Fe, Ferritin, Transferrin, Transferrinsättigung) und Vitamine (B12, Folsäure)
  • Kein EPO oder löslichen Transferrinrezeptor messen (nicht relevant)
  • Wenn Hb-Anstieg angestrebt wird: Eisen intravenös, bis Transferrinsättigung > 30% und Ferritin > 500 μg/l (CKD-Zielwerte)
  • ESA-Therapie (Erythropoiesis-Stimulating Agents): bei Hb < 100 g/l und Transferrinsättigung > 30% resp. Ferritin > 500 μg/l
  • Ziel-Hb unter ESA: 110 ± 10 g/l (unter hoch dosiertem ESA Risiko von kardiovaskulären Ereignissen erhöht)

Hyperphosphatämie, Hyperparathyreoidismus

Empfehlungen für Patientinnen und Patienten ohne KRT

  • 25-OH-Vitamin-D-Mangel korrigieren
  • 1.25-OH-Vitamin-D oder Analoga nur in Ausnahmefällen
  • Die optimalen iPTH-Werte sind nicht bekannt
  • Dauerhaft erhöhtes Serumphosphat mit Phosphatbindern in Richtung Normbereich senken

Hyperkaliämie

  • Bei Hyperkaliämie Azidose suchen und korrigieren, ggf. RAAS-Blockade reduzieren, Schleifendiuretika einsetzen. Allenfalls Ionentauscher. Ggf. nephrologische Beurteilung.

Risikofaktoren

Hypercholesterinämie

  • Ab dem Stadium G3 a priori unabhängig vom Ausgangs-LDL-Cholesterin oder Komorbiditäten eine Statintherapie beginnen
  • Ab Vorliegen einer pathologischen Albuminurie ist eine Statintherapie empfohlen (A2 und A3)
  • Ziel-LDL-Cholesterin im CKD Stadium G3 < 1.8 mmol/l, im Stadium G4 ist der Einsatz von Statinen sinnvoll, ein Ziel-LDL-Cholesterin nicht validiert, eine gut verträgliche Dosis wird fortgeführt
  • Im Stadium G5 profitieren die Patientinnen und Patienten nicht von einer Statintherapie, bei Patientinnnen und Patienten auf der Warteliste für eine Nierentransplantation wird sie fortgeführt

Diabetes

  • eGFR < 30 ml/min/1.73m2 (G4): kein Metformin, GLP-1 RA (BMI > 28 kg/m2) oder DPP4 Hemmer +/- Insulin, etablierten SGLT2-Hemmer aus prognostischen Gründen fortführen
  • eGFR < 45 ml/min/1.73m2 (G3b): 1/2 Dosis Metformin + SGLT2-Hemmer oder GLP-1 RA (BMI > 28 kg/m2), evtl. kombinieren +/- Insulin
  • Einsatz von Finerenon erwägen (bei SGLT2-Hemmer GFR von 25-59 ml/min/1,73 m² und einer ACR von > 30 mg/mmol)
  • Ziel HbA1c abhängig von Alter, Diabetesdauer und Komorbiditäten, in der Regel bei fortgeschrittener Niereninsuffizienz und Insulin < 7.5% wegen Hypoglykämierisiko 

Quelle/Link

 

Dr. Christian Bucher
Dr. Alexander Ritter

Lizenz

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