Konsequenzen für Führungskräfte und Organisationen

James Bruton

Foto: Severin Höin auf Unsplash

CSR ist mehr als ein schicker business case, der per Beschlussfassung einer Geschäftsleitung initiiert und zur Umsetzung freigegeben wird. CSR beinhaltet vielmehr einen zum Teil recht langwierigen Transformationsprozess, der mit organisationalen und sozialen Lernvorgängen einhergeht. Wie bei allen Change-Management-Prozessen ist die Qualität der Führung dabei von entscheidender Bedeutung. Dieser Beitrag geht der Frage nach, inwieweit transformationale Führung zur CSR-Implementierung beitragen kann. Dazu werden die Rolle von Werten und Konsequenzen für Führungskräfte näher beleuchtet.

Transaktionale und transformationale Führung

Transaktionale und transformationale Führung beschreiben zwei grundlegende Führungsstile (Avolio, Bass & Jung, 1999; Bass, 2000; Burns, 1978). Transaktionale Führung basiert auf einem Austauschverhältnis zwischen Führendem und Geführtem im Sinne eines Interessenausgleichs auf beiden Seiten. Somit versuchen transaktionale Führungskräfte das Verhalten ihrer Mitarbeiter zu beeinflussen, indem sie vereinbartes Verhalten belohnen (management by objectives) und von Vereinbarungen abweichendes Verhalten durch korrektive Maßnahmen abstellen (management by exception). Im Vordergrund steht die extrinsische Motivation der Mitarbeiter.

Dagegen erfolgt bei der transformationalen Führung die Beeinflussung der Mitarbeiter über die Entwicklung und Kommunikation einer kollektiven Vision, die sie durch Inspiration veranlassen soll, sich über ihre eigenen Interessen hinaus mit den Interessen ihres Teams und der Organisation als Ganzer zu identifizieren. Damit soll ihre intrinsische Motivation gefördert und so ihre Arbeitsleistung gesteigert werden. Bedeutsame Merkmale der transformationalen Führung sind die Vorbildfunktion der Führungsperson durch Ausstrahlung von Integrität, die inspirierende Motivation, die intellektuelle Anregung der kreativen Fähigkeiten der Mitarbeiter sowie ihre Unterstützung, um individuelle Bedürfnisse zu berücksichtigen und Selbstvertrauen zu entwickeln (Führungsperson als Berater, Coach und Vater- bzw. Mutterfigur). Diese Aspekte sind im Arbeitssetting grundsätzlich erlernbar bzw. können gezielt trainiert werden. Wir werden noch sehen, dass dies allein nicht ausreicht, um eine transformationale Führungskraft optimal zu formen.

Beide Führungsstile ergänzen sich und werden von der Führungsperson nach den Erfordernissen der Führungssituation unterschiedlich eingesetzt. Wenn es um Change-Management geht, zu dem auch die Einführung und Umsetzung einer CSR-Strategie gehören, scheinen auf den ersten Blick die Vorteile der transformationalen Führung auf der Hand zu liegen.

Transformationale Führung und CSR

Dieser intuitive Schluss wird durch Studien gestützt, wenngleich die Beziehung etwas komplexer ist. So konnten Alshihaba und Atan (2020) kürzlich zeigen, dass CSR als abhängige Variable durch die unabhängige Variable transformationale Führung signifikant beeinflusst wird. Als Mediator des Zusammenhanges identifizierten die Autoren „Organisation Citizenship Behaviour“ (OCB), d.h. das freiwillige, individuelle Verhalten der Organisationsmitglieder in der Arbeitsumgebung zugunsten eines Teams oder einer Organisation insgesamt. Beispiele für OCB sind Gewissenhaftigkeit, Höflichkeit, Hilfsbereitschaft oder die Teilhabe am öffentlichen Organisationsleben. Nach Goswami et al. (2018) entspringt OCB der sozialen Identifikation mit und dem Commitment an die Organisation, wobei diese Beziehung durch die transformationale Führung moderiert wird. Anders ausgedrückt: Der OCB-Wert tendiert ohne transformationale Führung gegen Null.

Eine weitere Studie (Besieux et al., 2015) modellierte eine Beziehung zwischen transformationaler Führung und Mitarbeiterengagement und erklärte sie durch die von den Mitarbeitern wahrgenommene CSR. Demzufolge könnten Organisationen das Engagement der Belegschaft steigern, indem sie den Fokus auf transformationale Führung als Katalysator legen.

Schließlich zeigten Veríssimo und Lacerda (2015), dass die Integrität der Führungsperson ein Prädiktor für CSR ist, wobei diese Beziehung durch transformationale Führung erklärt wird. Zuvor hatten Groves und LaRocca (2011) nachgewiesen, dass die transformationale Führungskraft eine positive Einstellung der Mitarbeiter zu CSR bewirkt, wenn sie prinzipienorientierten Werten entsprechend handelt.

Die Rolle von Werten

Werte lassen sich am besten als Systeme begreifen, denn sie existieren nicht einzeln. Ein Wertesystem stellt eine stabile Rangordnung von Präferenzen über spezifische Verhaltensweisen dar, mit der Tendenz, das entsprechende Verhalten auszulösen (Rockeach, 1973). Beispiele für Werte, die bei transformationaler Führung eine hohe Priorisierung erfahren, sind Großzügigkeit/Toleranz, Ehrlichkeit und Verantwortung (Mulla & Krishnan, 2011). Beispielsweise werden sich Menschen, für die großzügig zu sein wichtig ist, in der Regel auch großzügig verhalten. Werte sind stabil, d.h. dauerhaft, weil sie sich – anders als etwa Gedanken oder Gefühle – nicht leicht ändern. Mit anderen Worten sind sie Ausdruck dessen, was uns wirklich wichtig ist. Mit diesem Wissen können wir sagen: X ist wichtiger als Y ist wichtiger als Z. Die Werte der Führungsperson korrelieren positiv mit transformationaler Führung, die ihrerseits positiv mit den Werten der Mitarbeiter in Wechselbeziehung steht, wobei sich diese Beziehungen mit der Zeit jeweils verstärken (Mulla & Krishnan, 2011).

Jeder Mensch und jede Organisation hat – bewusst oder unbewusst – ein bestimmtes Werteprofil. Probleme ergeben sich, wenn aufgrund einer Voreingenommenheit in Bezug auf soziale Erwünschtheit eine Organisation gesellschaftliche Werte zu ihren eigenen erklärt, obwohl ihr Wertesystem in Wirklichkeit eine andere Priorisierung aufweist und beide Systeme somit disgruent sind. Die Organisation wird ihr Verhalten jedoch mit großer Wahrscheinlichkeit nach den ureigenen Werten ausrichten. Auf diese Weise entsteht ein Konflikt zwischen den verkündeten Werten und dem tatsächlichen Handeln, der von Mitarbeitern und einer breiteren Öffentlichkeit gleichermaßen wahrgenommen wird. Die entsprechende CSR-Strategie löst in der Folge Skepsis aus und wird bestenfalls nicht ernstgenommen. Ein solcher Umstand macht es Führungskräften schwer, ihrer Aufgabe gerecht zu werden.

Individuelle Entwicklung von Führungskräften

Organisationen können die für eine transformationale Führung notwendigen Führungsqualitäten durch geeignete Entwicklungs- und Schulungsmaßnahmen fördern – die Arbeit an den Werten bleibt jedoch Aufgabe der Führungskraft selbst. Werte sind zwar stabil, aber nicht unveränderlich. Ihre Stabilität ergibt sich aus der Verstrickung mit den eigenen Gedanken und Gefühlen und der Verschmelzung mit einem Selbstkonzept (für eine ausführliche Darstellung, siehe Bruton, 2019).

Gezieltes Coaching kann einen Weg aus solchen Verstrickungen weisen, denn erfahrungsgemäß sind vielen Führungskräften die eigenen Werte nicht unmittelbar zugänglich. Stattdessen nennen sie organisationale oder gesellschaftliche Werte bzw. verwechseln Werte mit Zielen. Im Coachingprozess kann die Führungsperson lernen, diejenigen Werte bewusst zu wählen, die sie als sinnstiftend für ihr Leben erkennt. Sie kann sich mit diesen Werten auseinandersetzen und lernen, Verhaltensänderungen mit ihnen zu verbinden. Das Ergebnis ist eine zuverlässige Orientierung sowie eine Verbesserung der psychologischen Flexibilität, die eine stressfreiere und effektivere Bewältigung der Führungsaufgabe bewirken.

Prof. Dr. James Bruton
lehrt Wirtschaftsethik mit dem Schwerpunkt CSR an der Europa-Universität Flensburg und bietet (Online-) Coaching für Führungskräfte an.
james.bruton@online.de

Literatur

Ashihabat, K. & Atan T. (2020). The Mediating Effect of Organizational Citizenship Behavior in the Relationship between Transformational Leadership and Corporate Social Responsibility Practices: Middle Eastern Example/Jordan. Sustainability, 12(10), 4248.
Avolio, B. J., Bass, B. M. & Jung, D. I. (1999). Re-examining the components of transformational and transactional leadership using the Multifactor Leadership Questionnaire. Journal of Occupational and Organizational Psychology, 72, 441–462.
Bass, B. M. (2000). The Future of Leadership in Learning Organizations. The Journal of Leadership Studies, 7(3), 18–40.
Besieux, T., Baillien, E., Verbeke, A. L. & Euwema, M. C. (2015). What goes around comes around: The mediation of corporate social responsibility in the relationship between transformational leadership and employee engagement. Economic and Industrial Democracy, 39(2), 249–271.
Bruton, J. (2019). Flexible Führung und Integrität. Was können wir von der ACT lernen? Zeitschrift für Wirtschafts- und Unternehmensethik, 20(1), 79–90.
Burns, J. M. (1978). Leadership. New York: Harper & Row.
Goswami, A., O’Brien, K. E., Dawson, K. M. & Hardiman, M. E. (2018). Mechanisms of Corporate Social Responsibility: The Moderating Role of Transformational Leadership. Ethics & Behavior, 28(8), 644–661.
Groves, K. S. & LaRocca, M. A. (2011). An Empirical Study of Leader Ethical Values, Transformational and Transactional Leadership, and Follower Attitudes Toward Corporate Social Responsibility. Journal of Business Ethics, 103, 511–528.
Mulla, Z. R. & Krishnan, V. R. (2011). Transformational Leadership: Do the Leader’s Morals Matter and Do the Follower’s Morals Change? Journal of Human Values, 17(2), 129–143.
Rokeach, M. (1973). The nature of human values. New York: The Free Press.
Veríssimo, J. M. C. & Lacerda, T. M. C. (2015). Does integrity matter for CSR practice in organizations? The mediating role of transformational leadership. Business Ethics: A European Review, 24(1), 34–51.


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