Warum Open-Source Hardware im öffentlichen Interesse liegt
Peter Bihr; Stephan Bohn; und Hendrik Send
Open Source Produkte wie OpenOffice und Linux sind nicht mehr wegzudenken in unserer modernen Gesellschaft. Dabei stechen nicht nur die bekannten Beispiele aus dem Softwarebereich hervor, sondern auch immer mehr Hardware-Produkte wie autonom fahrende Autos (LocalMotors), 3D-Drucker (RepRap), selbst designte Möbel (Stykka oder Open Desk), Roboter (iCub) und alle Arten von Computern und IoT-Geräten (Raspberry Pi). Zusammen bilden sie die Kategorie Open Source Hardware (OSH).
Die damit verbundenen Ideen sind so einfach wie ambitioniert. Gerade komplexe Produkte brauchen neue Formen von Innovationsprozessen, um das weltweite Know How – z.B. im Bereich Robotics – zu bündeln und schneller zu lernen. Open Source bedeutet als erstes, dass Produkte offen – also in Zusammenarbeit mit einer weltweiten Gemeinschaft von Experten, Nutzern und Unternehmen – entwickelt werden. Das so entstandene Wissen, Baupläne und Anleitungen wird wiederum als öffentliches Gut frei für jede und jeden zur Verfügung gestellt. So können Produkte durch Nutzer beeinflusst und verändert werden und, so die These, Produkte werden einfacher zu reparieren und langlebiger, weil das im Nutzen der Anwender liegt.
Hardware-Produkte können in einer idealen Welt jederzeit zum Beispiel mit 3D-Druckern oder in Makerspaces dezentral produziert werden. Wirtschaftliche Prozesse sind damit weniger abhängig von weltweiten Lieferketten und Open Source hat zudem einen Nachhaltigkeitseffekt. Open Source Hardware liegt – kurz gesagt – im zentralen Interesse von Unternehmen, Nutzern und der Gesellschaft.
Lektionen aus dem Software Bereich
Allerdings ist es nicht trivial, dieses Potenzial zu heben. Um die Entwicklung weiter zu unterstützen, ist es vor allen notwendig, aus Erfolgen und Problemen des Software- und Internetbereichs die richtigen Schlüsse zu ziehen, denn hier werden schon seit mehr als 20 Jahren Open Source Prinzipien intensiv genutzt. Jeder kennt OpenOffice, Linux und LibreOffice, aber auch große Teile der Internet-Technologie (z.B. Apache) sind Open Source und leisten einen bedeutenden Beitrag für die Vernetzung der Gesellschaft.
Allerdings zeigen im Software- und Internetbereich Unternehmen wie Google, Amazon, Facebook, Apple, Microsoft (GAFAM-Plattformen) ebenso die Schattenseiten auf. Keine Frage, all diese Unternehmen sind innovativ, aber sie haben auch deutliche Monopolisierungstendenzen, die durch starke Netzwerkeffekte entstehen. Daraus folgend resultieren nicht nur gesellschaftliche Probleme (Stichwort: Filterblasen und Meinungsfreiheit), sondern es werden zugleich innovative Alternativen behindert, wenn nicht verhindert.
Dem stehen viele positive Effekte von Open Source-Lösungen gegenüber: So können Unternehmen durch die Verwendung von Open-Source-Prinzipien den Aufwand und die Kosten zur Zusammenarbeit mit Auftragnehmern oder Partnern – also Transaktionskosten – senken, d.h. sie können die Zusammenarbeit zwischen Entwicklern und Nutzern leichter organisieren. Zusätzlich gibt es eine Vielzahl von Geschäftsmodellen, z.B. der Verkauf von professionellen Dienstleistungen, die ein frei verfügbares Angebot ergänzen – wie bei Red Hat, oder die Verwendung von Doppellizenzen wie bei der Datenbank MySQL, die privat kostenlos genutzt werden darf, aber kommerziell bezahlt werden muss.
Diese positiven Effekte beziehen sich zunächst nur auf digitale Güter, also auf Güter, die ohne nennenswerte Grenzkosten über digitale Netzwerke verteilt werden können. Von solchen digitalen Software-Gütern können unzählige perfekte Kopien angefertigt und diese wortwörtlich mit einem Klick überall auf der Welt verfügbar gemacht werden. Erst digitale Güter haben also den Siegeszug von Plattformen als ökonomische Organisationsform eingeleitet.
Dabei induzieren digitale Güter drei selbstverstärkende Effekte: Erstens kann ein digitales Gut enorme Skalierungseffekte entfalten. Einmal produziert kann es ohne Kosten immer wieder verkauft werden. Zweitens können weitere Dienstleistungen und Güter integriert werden und damit Pfadabhängigkeit und Lock-in-Effekte begünstigen. Kunden scheuen natürlich die Kosten für einen Plattformwechsel, wenn sie einmal viel Zeit und Geld in eine Plattform investiert haben. Und drittens führt eine wachsende Zahl von Nutzern eines digitalen Gutes zu Netzwerkeffekten, weil die Nutzbarkeit mit jedem neuen Nutzer steigt. Was würde es schließlich für einen Sinn machen, Plattformen wie Facebook zu nutzen, wenn man der einzige Nutzer wäre. Diese drei Effekte wirken so stark, dass sich die GAFAM-Unternehmen – Google, Amazon, Facebook, Apple und Microsoft – zu De-facto-Monopolen entwickelt haben, was zunehmend deutlich in Europa und ebenso in den USA kritisiert wird.
Open Source Hardware im öffentlichen Interesse
Um Open Source Hardware wirtschaftlich und gesellschaftlich erfolgreich zu machen, müssen wir allerdings die positiven Effekte übertragen. So gelten die drei genannten Effekte ähnlich wie im Softwarebereich ebenfalls für Hardware, allerdings in viel geringerem Maße. Die Grenzkosten von Hardware sind weit von Null entfernt. Wir brauchen Maschinen, Material und Arbeitskraft, um Hardware zu produzieren, wenn auch die Kosten durch Open-Source Lerneffekte ständig gesenkt werden. Darüber hinaus sind die Netzwerkeffekte geringer, weil es bisher nur eine beschränkte Zahl von Nutzern gibt. Lediglich die Lock-in-Effekte bei Hardware sind eins zu eins mit denen von digitalen Gütern vergleichbar, was wiederum eine Monopolisierung fördert.
Hardware quelloffen zu machen, würde dagegen die positiven Effekte – also die Skalierbarkeit sowie die Netzwerkeffekte – weit über die eines klassischen Produktes hinaus steigern. Open Source bewirkt, dass kaum noch künstliche Knappheit zur Preisgestaltung genutzt werden kann, was sonst eine beliebte Strategie von Monopolisten ist. Außerdem ist die offene Produktentwicklung oft innovativer und durch die Nutzung externer offener Ressourcen können Entwicklungskosten gesenkt und Prozesse beschleunigt werden.
Zudem zeigen Krisen wie die aktuelle Pandemie, dass es im Interesse von allen ist, Open Source zu nutzen, z.B. im Fall von Beatmungsgeräten, die in vielen Ländern nicht flächendeckend vorhanden waren. Daraus folgend gab es eine Reihe von Initiativen, Open Source-Beatmungsgeräte zu entwickeln, um diese dezentral zu produzieren. So können weltweit Techniken zur Verfügung gestellt werden, die in der Lage sind, Krisen zu bewältigen. Genau wie Internet-Technologien, die Open Source und damit viel transparenter sind, muss die Gesellschaft entscheiden, welche Technologien so wichtig sind, dass sie von keinem Unternehmen und strikten Patentregeln dominiert werden dürfen.
Open Sourcing fördern
Open Source Hardware sollte nicht nur als Lizenzmodell, sondern als ein mächtiges Prinzip verstanden und behandelt werden, das in der Lage ist, Innovationsprozesse und die Produktion von Hardware zu revolutionieren und damit der Gesellschaft zu dienen. Doch anders als im Softwaresektor reichen die Prinzipien des Marktes nicht, um ein sich selbst verstärkendes Wachstum solcher Angebote zu erreichen. Stattdessen sind ein gut durchdachter Support und finanzielle Unterstützung erforderlich.
Politische Entscheidungsträger müssen verstehen, dass das „Open-Sourcing“ im Hardwarebereich wichtige gesellschaftliche Innovationen hervorbringen kann. Da Open Source im öffentlichen Interesse liegt, müssen wir die Bemühungen um Open-Sourcing von Hardware unterstützen. Dies kann in Form einer Kombination aus Schulungen für Mitarbeiter, Finanzierungen für Projekte oder professioneller Unterstützung durch Experten erfolgen. Außerdem könnten öffentliche Einrichtungen Open-Source Produkte bevorzugen, um Lock-in Effekte und mangelnde Transparenz zu minimieren. Darüber hinaus sind Förderer gefragt, die sowohl kommerzielle als auch zivilgesellschaftliche Akteure unterstützen, die sich für Open Source einsetzen.
Aus dem GAFAM-Dilemma lernen
Open-Source-Hardware ist ein wachsendes Feld ist, wenn auch nicht so prominent wie der Software-Bereich. Es ist ein viel jüngeres Konzept mit höheren Eintrittsbarrieren. Das Potenzial von Open-Source-Hardware ist jedoch enorm, und wir müssen heute Entscheidungen treffen, damit es sich entfalten kann. Darauf zu warten, dass der Markt dies löst, führt zwangsläufig zu suboptimalen Ergebnissen.
Wir müssen aus dem GAFAM-Dilemma lernen und den Bereich Open Source Hardware proaktiv gestalten, um Monopolbildung zu verhindern und die Nachhaltigkeitspotenziale zu heben. Mit der Allgemeinen Datenschutzverordnung hat Europa bereits seinen Ehrgeiz beim Schutz der Verbraucherrechte gezeigt. In ähnlicher Weise befinden wir uns an einem Punkt, an dem es möglich ist, einen politischen Rahmen für die Zukunft von Open-Source-Hardware zu schaffen, um dieses aufstrebende Feld in Richtung positiver gesellschaftlicher Auswirkungen zu lenken und die innovative Potenziale einer weltweiten Gemeinschaft von Ideen und Wissen zu heben.
Peter Bihr
ist Geschäftsführer von The Waving Cat, einer Strategieberatungsfirma, die es sich zur Aufgabe gemacht hat, neue Technologien und aktive Bürger in Einklang zu bringen.
peter@thewavingcat.com
Dr. Stephan Bohn
forscht zu neuen Technologien und Nachhaltigkeit und leitet am Humboldt-Institut für Internet und Gesellschaft das EU- geförderte Projekt „OPEN!NEXT ” (Horizont 2020).
stephan.bohn@hiig.de
Prof. Dr. Hendrik Send
ist Professor an der HTW Berlin und erforscht am Humboldt Institut für Internet und Gesellschaft digitale Innovation und AI.
hendrik.send@hiig.de
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