Periphere arterielle Verschlusskrankheit (PAVK)
Allgemeines
- Zu 90–95% arteriosklerotischer Genese (5–10% entzündlich, traumatisch, embolisch u.a. Seltenes …)
- Betrifft zu > 90% die unteren Extremitäten
- Ist überwiegend eine Erkrankung des alten Menschen (ca. 20% im Rentenalter betroffen)
- Risikofaktoren analog KHK; die wichtigsten Risikofaktoren sind Rauchen und Diabetes mellitus
- Primär klinische (Verdachts-)Diagnose, Diagnosesicherung mittels ABI (Ankle-Brachial-Index, Definition siehe Diagnostik)
- Ca. 75% der Patienten sind asymptomatisch!
- Prognose bezüglich betroffener Extremität gut (75% stabiler Verlauf)
- Prognose quoad vitam schlecht (Mortalität ca. 30% /5 Jahre, v.a. wegen koronarer Ereignisse)
- Ca. 61% der Patienten mit gleichzeitiger kardialer und/oder zerebraler atherosklerotischer Erkrankung
Einteilung, Definitionen
Definition der PAVK
- Ruhe-ABI ≤ 0.9 (Werte von 0.91–0.99 gelten als «grenzwertig pathologisch») oder Abfall des ABI um > 15–20% im Belastungstest oder Zustand nach Revaskularisation oder klinisches Pulsdefizit
Einteilung der PAVK
Es empfiehlt sich eine Unterscheidung in akute und chronische Formen:
Akute Verschlusskrankheit
Häufigste Ursachen: Kardiale Embolie, arterioarterielle Embolisation aus Plaque/Aneurysma, thrombosiertes Poplitealaneurysma
Wegen fehlender Zeit zur Kollateralenbildung oft schwere Klinik («6×P») und rascher Handlungsbedarf
«6×P»: Pulselessness (Pulslosigkeit), Pallor (Blässe), Pain (Schmerz), Paresthesia (Sensibilitätsstörung/-verlust), Paralysis (motorische Störung/Lähmung), Prostration (Erschöpfung mit lebensgefährdender nekrosebedingter Toxinausschüttung)
Ziel: Rasche Revaskularisation in Abhängigkeit folgender Kriterien:
Bei jeglicher Form der akuten kritischen Ischämie soll ein Heparin-Bolus von 5000 E iv noch auf der Notfallzentrum KSSG (NFZ) verabreicht werden. Anschliessend Beginn einer Heparin-Infusion nach hausinternem «TVT»-Infusions-Schema (Ausnahme: HIT Typ II in Anamnese, in diesem Fall Einsatz von Argatroban). Zusätzlich: Schmerztherapie, betroffene Extremität tief lagern, ruhigstellen, lockerer Watteverband zum Schutz und zur Wärmeerhaltung (keine direkte Wärmezufuhr!).
Chronische Verschlusskrankheit
Stadium I | Asymptomatisch (= «schweigende Mehrheit») |
Stadium IIa | Claudicatio, Leidensdruck akzeptabel (Gehstrecke > 200 m) |
Stadium IIb | Claudicatio, Leidensdruck belastend (Gehstrecke < 200 m) |
Stadium III | Kritische Ischämie, Ruhesymptome, keine trophische Läsion |
Stadium IV | Kritische Ischämie, Ruhesymptome, ischämisch bedingte trophische Läsion |
Im Fall vorhandener trophischer Läsionen, die begleitend zur PAVK und nicht auf dem Boden der Perfusionsstörung entstanden sind, werden die Stadien I und II mit dem Zusatz «kompliziert» bezeichnet. Im Stadium III und IV: Knöcheldrücke < 50 mmHg; rasche Zuweisung ins Ostschweizer Gefässzentrum oder ggf. Notfallzentrum KSSG (NFZ).
Stufendiagnostik
Anamnese
Prädisponierende Faktoren: |
Vaskuläre Risikofaktoren: Alter, Rauchen, Diabetes mellitus, arterielle Hypertonie, Hypercholesterinämie, Kreatinin-Clearance < 60 ml/min, männliches Geschlecht, positive Familienanamnese (kardiovaskuläres Ereignis bei Eltern, Grosseltern oder Geschwistern vor dem 55. Lebensjahr bei Männern resp. dem 60. Lebensjahr bei Frauen) Manifeste Atherosklerose: Koronar, zerebrovaskulär, je gut 30% Risiko für PAVK |
Pro «vaskuläre Beschwerdeätiologie» |
Beschwerden zuverlässig reproduzierbar bei Belastung (langsam zunehmend); Lokalisation in Muskelgruppen (Gesäss, Oberschenkel, Wade usw.); Beschwerderückgang wenige Minuten nach Belastungsstopp; bei St. n. PTA: wie vor Intervention; Charakter: krampfartig/Müdigkeit |
Kontra «vaskuläre Beschwerdeätiologie» |
Beschwerden auch beim Stehen; Anlaufschmerz; Bergabgehen schlimmer als Bergaufgehen; Besserung betont nach Absitzen und/oder Vornüberbeugen des Oberkörpers (typisch für Claudicatio spinalis); Charakter brennend/stechend/elektrisierend; inkonstantes Auftreten |
Klinik
Inspektion
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Temperaturprüfung mit Handrücken
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Rekapillarisation
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Puls
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Auskultation
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Ankle-Brachial-Index (ABI)
= pro Bein höherer Knöcheldruck über A. dorsalis pedis oder A. tibialis posterior im Verhältnis zu höherem systolischem Oberarmblutdruck
- Bezüglich Diagnose PAVK: Sensitivität 95%, Spezifität 100%
- Normwert unter Ruhebedingungen ≥ 1.0–1.4, Borderline 0.91–0.99, eindeutig pathologisch ≤ 0.9
- ABI > 1.4: Nicht verwertbar für PAVK-Diagnostik, da Mediasklerose wahrscheinlich (v.a. bei Diabetes mellitus, chronischer Niereninsuffizienz, chronischer Steroidmedikation)
- Wann ist ABI-Messung empfohlen? → siehe Abb. «Stufendiagnostik»
Die bildgebenden Verfahren
FKDS | DSA | CTA | MRA | |
Stärken |
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Schwächen |
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Limitationen | Peripherie/Akren (Fuss distal, evtl. crural); keine transthorakale Gefässdarstellung | Peripherie | Peripherie, Stent, Metallprothesen (→ Artefakte, scheinbare Perfusionausfälle) |
Therapie
Sekundärprävention |
PAVK-Patient = vaskulärer Hochrisikopatient (nach ESC/EAS und AGLA innerhalb höchster Risikogruppe) |
Thrombozytenfunktionshemmung:
Thrombozytenfunktionshemmung bei Diabetikern:
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Statin
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Rauchstopp |
Kontrolle von Blutdruck: Ziel < 140/90 mmHg, bei älteren Patienten (> 65 J.) mit Ausgangswerten ≥ 160 mmHg evtl. Reduktion auf 140–150 mmHg, um Orthostase zu vermeiden. Bei Diabetikern Ziel optimal < 130/80 mmHg, wenn dies ohne relevante Nebenwirkungen erreicht werden kann, ansonsten < 140/90 mmHg anstreben. |
Kontrolle von Blutzucker: Ziel HbA1c < 8.0% bei älteren Patienten mit langer Diabetesdauer oder Patienten mit schwerer Hypoglykämie in der Anamnese, begrenzter Lebenserwartung, fortgeschrittenen mikro- und/oder makrovaskulären Komplikationen und beträchtlichen komorbiden Erkrankungen; Ziel HbA1c < 7% bei jungen Erwachsenen mit kürzlich diagnostiziertem Diabetes mellitus |
Gehtraining |
Erste therapeutische Option im Stadium IIa (-b) |
Ziel: ≥ 3× 30 Min./Woche, Effekt ab 3 Monaten abschätzbar |
Nach Möglichkeit strukturiert im Rahmen eines ambulanten vaskulären Rehabilitationsprogramms (im KSSG sowie am Spital Wil, Grabs und Altstätten verfügbar) |
Revaskularisation |
Optional ab Stadium IIb der PAVK (individuell je nach Leidensdruck, Co-Morbiditäten usw. zu entscheiden). Je nach Befund erfolgt die Revaskularisation entweder mittels interventionell-radiologischer Katheterintervention (Ballon-Angioplastie +/– Stentimplantation), operativ (i.R. eines gefässchirurgischen Eingriffs) oder im Hybrid-Verfahren (Kombination Katheterintervention und gefässchirurgischer Eingriff) |
Prostaglandine (Ilomedin) |
Bei kritischer Ischämie (v.a. bei distalen/akralen Gefässverschlüssen) ohne Möglichkeit einer interventionellen oder operativen Verbesserung der arteriellen Perfusion erwägen |
Quellen/Links:
- 2017 ESC Guidelines on the Diagnosis and Treatment of Peripheral Arterial Diseases, in collaboration with the European Society for Vascular Surgery (ESVS), European Heart Journal (2018) 39, 763–816. https://doi.org/10.1093/eurheartj/ehx095
- 2016 AHA/ACC Guideline on the Management of Patients With Lower Extremity Peripheral Artery Disease: Executive Summary; 2017 Circulation. 2017;135:e686–e725. https://doi.org/10.1161/CIR.0000000000000470
- 10. Cardiovascular Disease and Risk Management: Standards of Medical Care in Diabetes—2022, Diabetes Care 2022;45(Suppl. 1):S144–S175. https://doi.org/10.2337/dc22-S010
- 2019 ESC/EAS Guidelines for the management of dyslipidaemias: lipid modification to reduce cardiovascular risk; Eur Heart J. 2020 Jan 1;41(1):111-188. https://doi.org/10.1093/eurheartj/ehz455
- Hardung D et al. Dual-Pathway Inhibition bei Atherosklerose; Dtsch Med Wochenschr 2019; 144: 1384-1389. https://doi.org/10.1055/a-0868-3360
Dr. Alexander Poloczek
Dr. Enrique Alejandre-Lafont, Prof. Dr. Florian Dick