Prä- und perioperatives Management bei nicht-kardialen Operationen

Ziel: Senkung perioperativer kardialer Komplikationen und Verbesserung der längerfristigen Prognose der Patienten. Festlegung der Abklärungsstrategie erfolgt aufgrund des Risikos des Eingriffes, der körperlichen Leistungsfähigkeit, des Vorhandenseins klinischer Risikoindikatoren und der Messung kardialer Biomarker. Abklärungsgang (Abb. 1): Zuerst Ausschluss einer akuten oder instabilen Herzkrankheit (Tab. 1) unter Berücksichtigung von kürzlich durchgeführten Koronarinterventionen (können zur Verschiebung eines Wahleingriffs zwingen; Tab. 2). Notfallmässige Operationen kurz nach Koronardilatation mit Stenteinlage beinhalten ein sehr hohes perioperatives Risiko und bedürfen einer intensiven interdisziplinären Betreuung durch Chirurgen, Anästhesisten, Kardiologen und Intensivmediziner.

Das weitere Vorgehen richtet sich nach dem Risiko des bevorstehenden Eingriffes (Tab. 3), der körperlichen Leistungsfähigkeit (Tab. 4) sowie den klinischen Risikoindikatoren (Tab. 5).

Wie aus Abbildung 1 hervorgeht, ist bei guter Leistungsfähigkeit und/oder fehlenden Risikoindikatoren keine weiteren kardialen Abklärungen indiziert.

Hingegen müssen Patienten, die nur eingeschränkt leistungsfähig sind und klinische Risikoindikatoren aufweisen, v.a. im Vorfeld gefässchirurgischer Eingriffe, genauer untersucht werden. In einem ersten Schritt werden BNP oder NT-proBNP bestimmt. Sind die Werte nicht erhöht (< 100 ng/l bzw. < 300 ng/l) kann der Patienten ohne weitere Massnahmen der geplanten Intervention unterzogen werden. Sind die Werte aber erhöht, schliesst sich ein kardiologischer Work up an. Bei einer (vermuteten) koronaren Herzkrankheit steht die (bildgebende) Ischämiediagnostik, bei einer Herzinsuffizienz oder der Suche nach Klappenvitien die Echokardiografie im Vordergrund. Die Bestimmung eines natriuretischen Peptids (BNP oder NT-proBNP) ermöglicht v.a. (aber nicht nur) beim Vorliegen einer Herzinsuffizienz eine verbesserte Risikoabschätzung. Wichtig ist der Grundsatz, die Indikationen für invasive Therapien immer auf Basis der allgemein anerkannten kardiologisch-internistischen Kriterien zu stellen. Eine invasive Therapie nur um des bevorstehenden Eingriffs willen ist nicht indiziert. Entsprechend muss die Frage nach der therapeutischen Konsequenz allfälliger pathologischer Befunde schon bei der Abklärungsplanung berücksichtigt werden. Bei Risikopatienten (siehe Abb. 1, unteres Drittel) erfolgt postoperativ (jeweils am Morgen des ersten, zweiten und gegebenenfalls dritten Tages) eine Troponinbestimmung. Interpretation und Vorgehen sind in Abbildung 2 zusammengefasst.

Tab. 1: Hinweise für eine akute/instabile Herzkrankheit;
CCS = Canadian Cardiovascular Society
Tab. 2: Vorgehen bei Patienten nach PCI
* DAPT = Dual antiplatelet therapy (Duale Thrombozytenhemmung)
Indikation Art der PCI Minimale Karenzzeit vor nicht-dringlichen Eingriffen
Chronische Koronare Herzkrankheit (KHK) Drug Eluting Stent (DES) 6 Monate
Chronische Koronare Herzkrankheit (KHK) Ballon inkl. medikamentenbeschichtet (DEB) 1 (–6) Monate
Akutes Koronarsyndrom (ACS) Jede Therapiemodalität 12 Monate
Dringlichere Eingriffe mit entsprechend früherem Absetzen der DAPT* nur nach Rücksprache mit dem interventionellen Kardiologen
Abb. 1: Abklärungsgang bei kardialen Risikopatienten;
* und weitere Erläuterungen siehe Tab. 1–5. ;MET = metabilic equivalent; BNP = brain natriuretic petide.
Nachdruck mit freundlicher Genehmigung aus: Filipovic M, Kindler CH, Walder B. Anästhesiologie und Reanimation: Perioperative kardiale Abklärung und Therapie im Vorfeld nicht-herzchirurgischer Eingriffe. Swiss Med Forum. 2018;18(5152):1078-80. https://doi.org/10.4414/smf.2018.03440
Tab. 3: Risiko des bevorstehenden operativen Eingriffs
Die %-Zahlen geben die durchschnittliche Häufigkeit des perioperativen Auftretens bedeutender kardiovaskulärer Ereignisse an.
Operationen mit hohem kardialem Risiko (> 5%)
Offene gefässchirurgische Eingriffe an der Bauchaorta und der unteren Extremität, ausgedehnte Eingriffe in der Bauchhöhle (Eingriffe an Leber, Pancreas, Oesophagus, Cystektomie), ausgedehnte Eingriffe in der Brusthöhle (Pneumonektomie)
Operationen mit mittlerem kardialem Risiko (1–5%)
Kleinere und mittlere Eingriffe in der Bauch- oder Brusthöhle, grössere orthopädische Eingriffe, grössere Eingriffe am Hals oder Nacken, endovaskuläre Gefässeingriffe, Eingriffe an den Karotiden (symptomatische Patienten)
Operationen mit niedrigem kardialem Risiko (< 1%)
Eingriffe an der Körperoberfläche, am Auge, an der Mamma, an der Schilddrüse, transurethrale Eingriffe an der Prostata, kleine orthopädische und gynäkologische Eingriffe, Eingriffe an den Karotiden (asymptomatische Patienten)
Tab. 4: Einschätzung der Leistungsfähigkeit anhand des «metabolic equivalent» (MET), dass der Patient leisten kann.
Verrichtung Anzahl MET Leistungsfähigkeit
Körperpflege, leichte Hausarbeiten, langsam geradeaus gehen, 1 Stockwerk steigen 1 bis 4 schlecht
Bergaufgehen, kurze Distanzen laufen 4 bis 7 mässig
Schwere Hausarbeiten, Ausdauersport > 10 gut
Tab. 5: Klinische Risikoindikatoren («revised cardiac risk index»);
CCS = Canadian Cardiovascular Society
1 Zeichen der Myokardischämie: Angina pectoris, neu aufgetretende ischämietypische EKG-Veränderungen, echokardiographisch neue regionale Wandbewegungsstörungen, etc.
2 Beachte das Blutungsrisiko im Rahmen des Einsatzes gerinnungshemmender Medikamente
Abb. 2: Algorithmus zur Diagnose und Therapie des perioperativen Myokardinfarktes/Myokardschadens, basierend auf der 4. Definition des Myokardinfarktes (Thygesen K, Alpert JS, Jaffe AS et al. Fourth Universal Definition of Myocardial Infarction (2018). J Am Coll Cardiol. 2018 Oct 30;72(18):2231-2264. doi: 10.1016/j.jacc.2018.08.1038), modifiziert nach Yurttas et al. (Yurttas T, Hidvegi R, Filipovic M. Biomarker-Based Preoperative Risk Stratification for Patients Undergoing Non-Cardiac Surgery. J Clin Med. 2020 Jan 27;9(2):351. doi: 10.3390/jcm9020351).
Perioperative medikamentöse Therapie

Die internistisch-kardiologischen Indikationen für den Einsatz von Statinen und Beta-Rezeptoren-Blockern sollen voll ausgeschöpft werden. Die Behandlung sollte mindestens 4 Wochen vor dem Eingriff beginnen. Die Dosierung des Beta-Rezeptoren-Blockers soll schrittweise unter klinischer Kontrolle erhöht werden; Zielherzfrequenz < 65/Min.

Je nach Indikation bzw. Risiko für das Auftreten von kardiovaskulären Komplikationen und in Abhängigkeit von der Art des Eingriffs sollen Thrombozytenaggregationshemmer über den Eingriff hinaus weitergegeben oder einige Tage vorher abgesetzt werden. Vergleiche hierzu auch Kapitel «Periinterventionelles Management unter gerinnungshemmender Medikation» Seite.

 

Prof. Dr. Miodrag Filipovic
Prof. Dr. Hans Rickli

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